Fischler und Lamy beantworten in Brief Kritik von Weltbank-Stern
Fakten bei Angriff gegen GAP durcheinander gebracht - Weltbank-Glaubwürdigkeit strapaziert
Brüssel (aiz.info) - In einem gemeinsamen offenen Brief, der dem AIZ vorliegt, an Weltbank-Chefökonomen Nick Stern kritisieren EU-Agrarkommissar Franz Fischler und Außenhandelskommissar Pascal Lamy Inhalt und Stil der am 20.11.2002 in der Financial Times zitierten Aussagen Sterns bei einer Rede in München von "Scheinheiligkeit der EU- und US-Agrarpolitik". Die beiden Kommissare laden Stern ein, vor weiteren ähnlichen Reden die Fakten mit ihnen abzustimmen: "Wir bedauern unter solchen Umständen schreiben zu müssen, aber deine Rede - zumindest wie sie berichtet wurde - überspannt den Bogen der Glaubwürdigkeit der Weltbank eher", schreiben Fischler und Lamy am Ende des Briefes unter der Anrede "Lieber Nick".

"Es ist eine Sache, die Werbetrommel für eine Reform der GAP zu rühren (obwohl es schön wäre, wenn die Weltbank und andere von Zeit zu Zeit die beachtlichen Fortschritte in der GAP-Reform und die Bedeutung der Kommissionsvorschläge zum Midterm-Review in diesem Zusammenhang anerkennen würden). Aber es ist eine andere Sache, dass du andauernd die Fakten durcheinander bringst", so die beiden. Zum einen betonen die Kommissare, dass eine weitere Reform der GAP entgegen Behauptungen Sterns keineswegs durch die Gipfelbeschlüsse von Brüssel am 25.10.2002 aufgeschoben sei. Die GAP-Ausgaben seien mit dem Brüsseler Erweiterungsgipfel zum ersten Mal durch die Anwendung einer Stabilisierung auf realen Werten "gekappt worden" und die Kommission werde in diesem Sinne Legislativvorschläge einbringen. Die Schreiber rücken Sterns Aussagen über die Gipfel-Schlussfolgerungen, die sie übrigens ihrem Brief als Anlage zur Information für Stern aus erster Hand beigelegt haben, zurecht: "Wenn wir auch eine mögliche Missinterpretation einräumen, so bist du weit ab vom markierten Weg, von einer kürzlichen Einigung zu sprechen, die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zu verschieben."

USA machen Kehrtwende zu handelsverzerrenden Maßnahmen
Zum anderen verwehren sie sich mit der Andeutung, die Agrarpolitik der EU sei sogar schlimmer als die der USA. Wenn Stern die Weltbank derart politisch positionieren wolle, solle er doch "mit seriöseren Argumenten" beginnen. Denn, so Fischler und Lamy, während die EU und andere hochentwickelte Länder die Abkehr in der Agrarstützung von handelsverzerrenden Maßnahmen akzeptiert hätten, "machen die USA eine Kehrtwende und schlagen die entgegengesetzte Richtung ein", indem sie das Gegenteil der in absoluten und relativen Maßstäben von der EU eingegangenen Reduzierung handelsverzerrender Agrarstützungen machen.

Auch bei Vorwurf der Marktabschottung gegen Entwicklungsländer stimmen Fakten nicht
Wenn Stern in Richtung der EU vom Predigen der Vorteile des Freihandels und der gleichzeitigen Errichtung von Handelsbarrieren gegenüber Entwicklungsländern spreche, soll er sich ebenfalls die Statistiken ansehen, empfehlen die Kommissare: "Die EU ist eindeutig ein offener und für die Entwicklungsländer vielleicht der einzige offene Markt", verweisen sie auf ein durchschnittliches Zollniveau der EU für Agrarprodukte und Lebensmittel der Papierform nach von 16,8% und in der realen Anwendung von sogar nur 9,9%. Sie rufen dazu in Erinnerung, dass die EU mit einem Warenwert von EUR 26 Mrd. aus den Entwicklungsländern jährlich mehr Agrarprodukte importiere als die USA, Kanada, Japan und Australien zusammen. "Und es ist die EU, die mit einem vollkommen freien Marktzugang für die am schwächsten entwickelten Länder in der Alles außer Waffen-Initiative, ein Beispiel gesetzt hat, dem bedauerlicherweise wenige andere Länder nachgeeifert haben."
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