Fischer: Verfassungspatriotismus entwickeln  

erstellt am
05. 11. 03

Fischer für Volksabstimmung über Ergebnis des Österreich-Konvents
Wien (pk) - "Hat nationale Verfassungsgeschichte noch einen Stellenwert im europäischen Diskurs?" Dieser Frage gingen am Dienstag (04. 11.) im Parlament namhafte HistorikerInnen und JusristInnen nach. Die Diskussion fand im Rahmen der seit 1976 vom Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft veranstalteten Reihe "Justiz und Zeitgeschichte" statt. Als Gastgeber fungierte der Zweite Präsident des Nationalrates Heinz Fischer. Die Moderation wurde abwechselnd von Erika Weinzierl und Oliver Rathkolb wahrgenommen.

Ohne das Ende der heutigen Diskussion vorwegnehmen zu wollen, zeigte sich Fischer überzeugt davon, dass die aufgeworfene Gesamtfrage mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden wird. Dafür gebe es mehrere Gründe: Zunächst sei festzustellen, dass die EU trotz dynamischer Entwicklung noch kein Staat ist, sodass eine europäische Verfassungsgeschichte erst im Entstehen sei und die nationale Verfassungsgeschichte weiterhin Hauptebene der Diskussion bleibe. Die EU sei ein Gebilde sui generis, weshalb es auch in Zukunft eine nationale Verfassungsgeschichte geben werde.

Nur ein Mitgliedsstaat, der mit seiner Vergangenheit im Reinen sei, sagte Fischer, sei auch langfristig ein guter und stabiler Partner. Man müsse wissen, woher man komme, um zu wissen, wohin man gehe.

Ein besonderer Bezug sei aber zwischen der Verfassungsentwicklung auf europäischer Ebene und dem Österreich-Konvent herzustellen, wo man gerade im Begriff sei, an künftiger nationaler Verfassungsgeschichte zu arbeiten. Wenn der Konvent seine Ziele einigermaßen erreichen sollte, dann, so der Zweite Nationalratspräsident, werde die nationale Verfassungsgeschichte um ein wichtiges Kapitel ergänzt und bereichert. Fischer sieht sogar die Möglichkeit, dass das Ergebnis auch Einfluss auf andere Nationalstaaten haben könnte, so wie der EU-Konvent Anstoß für die Schaffung des österreichischen Gremiums gewesen sei.

Fischer wagte zwar nicht zu prophezeien, ob der Österreich-Konvent tatsächlich zu substanziellen Ergebnissen kommt. Wenn dies aber gelinge, dann hält er die Idee für sinnvoll, das Ergebnis einer Volksabstimmung zu unterziehen, selbst wenn diese nicht zwingend erforderlich sei. Mit einer solchen Volksabstimmung wäre nämlich ein starker Impuls für die Entwicklung eines Verfassungspatriotismus verbunden, so der Zweite Nationalratspräsident.
 
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