Materialermüdung auf der Spur  

erstellt am
14. 11. 03

Stuttgarter Forscher erforschen Risse in spröden Werkstoffen
Stuttgart (pte) - Stuttgarter Materialwissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Metallforschung haben entdeckt, unter welchen Bedingungen sich Risse mit Überschallgeschwindigkeit in spröden Werkstoffen ausbreiten. Die Forscher haben die Dynamik von Rissen in umfangreichen Computersimulationen untersucht. Mit Hilfe von Supercomputern konnten die Wissenschaftler ableiten, unter welchen Bedingungen die Dynamik der Rissausbreitung durch Hyperelastizität bestimmt wird, berichten sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature. Die Erkenntnisse sollen zum besseren Verständnis von Erdbeben und der Entstehung und Bewegung von Rissen in Flugzeugen oder Raumfahrzeugen dienen.

Dabei haben die Forscher einen wichtigen, bisher fehlenden Aspekt in der heutigen Theorie der dynamischen Rissausbreitung entdeckt: Die Elastizität von Festkörpern hängt von der Intensität ihrer Verformung ab. So werden Metalle weich, Polymere hingegen hart, wenn sie sich durch zunehmende Dehnung dem Zustand des Materialversagens nähern. "Nur für unendlich kleine Deformationen kann man annehmen, dass sich die elastischen Eigenschaften eines Materials nicht ändern und sein Verhalten linear ist," erklärt Huajian Gao, Direktor am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart. "Trotzdem beschreiben viele der heutigen Theorien die Rissausbreitung auf der Grundlage linearer Elastizität und vernachlässigen, wie unterschiedlich sich Materialien bei kleinen oder großen Dehnungen verhalten." Die bisherigen Theorien seien deshalb zu bezweifeln, denn wenn sich ein Riss in einem Werkstück ausbreitet, bricht das Material an der Rissspitze gerade wegen der extrem großen Deformationen in diesem Bereich, meint der Experte.

Die Wissenschaftler zeigen in ihrer Untersuchung, dass auch Hyperelastizität, die Elastizität bei großen Dehnungen, das Verhalten von Rissen bestimmen kann. Denn während sich Risse ausbreiten, absorbieren und vernichten sie Energie vom umgebenden Material. "Wir haben eine neue charakteristische Längenskala entdeckt, die jenen Bereich um den Riss beschreibt, aus dem Energie transportiert werden muss, damit der Riss seine Ausbreitung fortsetzen kann," erklärt Gao. Bei extrem hohen Spannungen ist diese Längenskala nur einige Dutzend Nanometer groß. "Diese charakteristische Längenskala ist proportional zur Rissoberflächenenergie und den elastischen Eigenschaften und umgekehrt proportional zum Quadrat der angelegten elastischen Spannung", führt der Experte aus. Im Gegensatz zum bisherigen Verständnis ist kein Energietransport von weiter entfernten Regionen zum Riss notwendig, sondern nur von einem kleinen, lokal begrenzten Bereich, der durch die charakteristische Längenskala beschrieben ist.
 
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