Europapolitik
 Dringlicher Antrag der ÖVP
betreffend Ergebnisse des Europäischen Rates Kopenhagen am 12. und 13. Dezember 2002
Wien (övp-pk) - Die Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger (ÖVP) und Mag. Karl Schweitzer (FPÖ) haben am Freitag (20. 12.) zu Beginn der ersten Nationalratssitzung der neuen Legislaturperiode namens ihrer Fraktionen einen Dringlichen Antrag betreffend Ergebnisse des Europäischen Rates Kopenhagen am 12. und 13. Dezember 2002 eingebracht.

Nachstehend der Antrag im Wortlaut:

"Der Europäische Rat hat bei seiner Tagung am 12. und 13. Dezember 2002 in Kopenhagen die Verhandlungen über die Erweiterung der Europäischen Union abgeschlossen. Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern sollen zum 1. Mai 2004 vollberechtigte Mitglieder der Europäischen Union werden.

Der Europäische Rat von Kopenhagen stellt damit einen historischen Meilenstein in der Wiedervereinigung Europas dar. Die Europäische Union schafft nunmehr für 25 Länder und fast einer halben Milliarde Menschen die Basis für Frieden, Demokratie, Stabilität und Wohlstand. Mit der Erweiterung erlangt die Union neues Gewicht auf globaler Ebene, wovon auch die unmittelbaren Nachbarn der Europäischen Union profitieren sollen.

Die Verhandlungen zur Erweiterung der Europäischen Union wurden im Jahr 1998 unter dem Vorsitz Österreichs begonnnen. In den vergangenen vier Jahren wurden die Grundlagen für die Integration der neuen Mitgliedstaaten vorbereitet. Ebenso wurden die notwendigen Vorkehrungen für das weitere effiziente Funktionieren einer erweiterten Union getroffen.

Österreich hat beim Europäischen Rat von Kopenhagen auch die im Zusammenhang mit der Erweiterung stehenden Fragen des Transitverkehrs und des "Melker-Abkommens", das zwischen Österreich und der Tschechischen Republik hinsichtlich des Kernkraftwerks Temelin abgeschlossen wurde, thematisiert. In den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels wird der Rat aufgefordert, noch vor Jahresende eine Verordnung über die Zwischenlösung für den Transitverkehr von Schwerlastkraftwagen durch Österreich für den Zeitraum 2004 bis 2006 anzunehmen. Weiters wird die Europäische Kommission beauftragt, spätestens bis Ende des ersten Halbjahres 2003 einen Vorschlag für eine neue Richtlinie über die Eurovignette vorzulegen. Das "Melker-Abkommen" wurde vom Europäischen Rat zur Kenntnis genommen und es wurde festgestellt, dass der Europäische Rat erwartet, dass dieses Abkommen nun umfassend angewendet wird.

Bereits beim Europäischen Rat von Laeken im Dezember 2001 war auf Verlangen Österreichs die Kommission ersucht worden, einen Vorschlag bezüglich der Verlängerung des Ökopunktesystems zu unterbreiten, damit das Kapitel "Verkehr" im Rahmen der Beitrittsverhandlungen noch vor Jahresende 2001 abgeschlossen werden kann. Weiters sagte der Europäische Rat in Laeken zu, in der Union weiterhin ein hohes Maß an nuklearer Sicherheit zu gewährleisten. Der Europäische Rat betonte in diesem Zusammenhang, dass der Schutz und die Sicherheit von Kernkraftwerken überwacht werden müssen und ersuchte um die regelmäßige Vorlage von Berichten der Atomenergieexperten der Mitgliedstaaten. Die genaue und rechtzeitige Umsetzung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Kopenhagen und Laeken hat für Österreich vorrangige Bedeutung. Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgenden Dringlichen Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung wird ersucht, mit Nachdruck die Umsetzung der von Österreich in die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Laeken (Dezember 2001) und von Kopenhagen (Dezember 2002) eingebrachten Punkte einzufordern. Die Bundesregierung wird ersucht, insbesondere auf die Erfüllung jener Vereinbarung zu drängen, wonach der Rat aufgefordert ist, rechtzeitig eine Verordnung über die Zwischenlösung für den Transitverkehr von Schwerlastkraftwagen durch Österreich für den Zeitraum 2004 bis 2006 anzunehmen. Die Bundesregierung wird ersucht, weiterhin für die umfassende Erfüllung des Melker Abkommens zwischen Österreich und der Tschechischen Republik Sorge zu tragen. Die Bundesregierung wird ersucht, die Umsetzung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Laeken bezüglich der Sicherheit von Kernkraftwerken aktiv zu unterstützen und weiterhin die Initiative der Europäischen Kommission für gesamteuropäische hohe Sicherheitsstandards unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtssprechung des EuGH betreffend einheitliche Regeln für die Sicherheit aller europäischer Kernkraftwerke zu verfolgen. Der Bundeskanzler wird ersucht, dem Parlament rechtzeitig vor Unterzeichnung des Beitrittsvertrages im April 2003 über die Umsetzung dieser Punkte zu berichten."

 
 Regierung hat Probleme bei Transitvertrag selbst verursacht
Einem: SPÖ stimmt Dringlichem Antrag der ÖVP nicht zu
Wien (sk) - "Wir werden dem dringlichen Antrag nicht zustimmen", betonte der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Caspar Einem am Freitag (20. 12.) im Rahmen der Nationalratsdebatte. "Sie versuchen immer, wenn Sie in Not geraten, einen nationalen Schulterschluss zu bekommen. Das ist zwar verständlich, aber billig", betonte Einem. Die Regierung habe diese Not selbst verursacht. Einem verwehrt sich gegen Vorwürfe, wie jene von FPÖ-Klubobmann Schweitzer, dass jene Schuld seien, die den Transitvertrag damals ausgehandelt hätten. "Der Transitvertrag war damals eine Sensation", so Einem. Die SPÖ habe mit der Kommission bereits Gespräche zur Verlängerung begonnen, "dann ist jedoch der Regierungswechsel gekommen. Einem brachte überdies einen Entschließungsantrag ein, in dem die Regierung unter anderem aufgefordert wird, dem Nationalrat schriftlich über die Sicherheit im AKW Temelin laufend zu berichten, einen europaweiten Atomausstieg zu unterstützen und Maßnahmen zu fördern, die zu einer Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene führen.

"Man kann den europäischen Partnern nicht die Schuld zuschieben. Man hätte manche Dinge auch im Inland tun können", bemerkte Einem in Richtung Regierungsbank. Zu den nationalen Maßnahmen, die eine Verringerung des Transits mit sich bringen würden, zählte Einem das Road Pricing. Bereits 1996 habe man ein Road-Pricing vorbereitet, die ÖVP sei jedoch abgesprungen. Man habe bis heute kein Road Pricing, eine Milliarde Euro an Ausgaben seien damit entfallen. "Damals hätten Sie ihren nationalen Schulterschluss gehabt", so Einem. Bei der Brenner-Maut sei Österreich vom EuGH geklagt worden. Er, Einem, habe jedoch 1998 erreicht, dass die Maut beibehalten werden konnte, allerdings auf der Strecke Innsbruck-Kufstein und der Scheitelstrecke verteilt eingehoben werden müsse.

"Die Kommission hat zugestimmt", erklärte Einem. Bekämpft sei der Vorschlag jedoch von der ÖVP-Tirol worden, die ÖVP auf Bundesebene habe ebenfalls nicht zugestimmt. Österreich habe daher den Prozess verloren. Die Mautsenkung sei nicht umgesetzt worden, jetzt würden hohe Strafen drohen. "Löffeln sie das ganze jetzt selbst aus", so Einem zu den Problemen beim Transitvertrag. "Wir werden sie nicht daran hindern, das Nötige zu tun. Die Verantwortung aber tragen Sie selber", bemerkte Einem abschließend in Richtung Regierung.

 
 Schüssel: Wiedervereinigung Europas historische Chance
Bundeskanzler wird bei Transit nicht locker lassen
Wien (övp-pk) - Der EU-Rat habe etwas zustande gebracht, was viele jahrelang erhofft hätten. Erstmals in der Geschichte Europas wird nun eine Vereinigung des Kontinents in Freiheit, in demokratischer Zustimmung und durch freiwillige Verhandlung möglich. Das gibt Europa und Österreich eine glänzende Perspektive. Man könne zwar durchaus Probleme sehen, dürfe aber die historische Chance nicht gering achten. Das sagte Bundeskanzler und ÖVP-Klubchef Dr. Wolfgang Schüssel am Freitag (20. 12.) bei der Debatte über den Dringlichen Antrag den EU-Rat betreffend im Plenum des Nationalrats.

"Die Beitrittsverhandlungen haben für uns ein gutes Ergebnis gebracht." Er, Schüssel, wünsche sich, dass die notwendigen Volksabstimmungen mit deutlicher Mehrheit positiv ausgehen werden. Die Vereinigung Europas sei auch "in unserem ureigensten Interesse ". Sie sei ein wichtiger Beitrag zu Frieden und Stabilität gerade in "unserer Zone Europas", wo es Vertreibungen und Enteignungen gegeben habe und ein wichtiger Beitrag zur inneren Sicherheit. Mit der Übernahme der EU-Standards werden die Kandidatenländer außerdem an die 100 Milliarden Euro in Umweltmaßnahmen investieren.

Österreich bekomme auch eine "Wirtschaftschance". Der Bundeskanzler wies darauf hin, dass Österreich mit zwei Prozent EU-Bevölkerung schon jetzt acht Prozent des Handelsvolumens der EU habe.

Die Einigung koste bis 2006 für ganz Europa insgesamt 40,2 Milliarden Euro, womit man unter den Berliner Beschlüssen liege. Die Nettokosten für die heutigen 15 EU-Ländern würden bei knapp über zehn Milliarden Euro liegen. Der Mitgliedsbeitrag der Neuen mache hingegen 15 Milliarden aus. Jedem Österreicher kostet die Wiedervereinigung somit 25 Euro.

Die Agrarausgaben seien bis 2013 stabilisiert und damit eine Kostenexplosion verhindert worden. Schüssel erinnerte zudem daran, dass Österreich durch eine Übergangsfrist von sieben Jahren, den Arbeitsmarkt auch selbst kontrollieren könne.

Österreich habe sich in einem weitgehenden Parteienkonsens massiv für die atomare Sicherheit eingesetzt. Drei Atomkraftwerke werden zugesperrt, so Schüssel. Hinsichtlich Temelin habe man erreicht, dass es einen bilateralen völkerrechtlichen Vertrag Österreich-Tschechien gibt. Der Punkt, dass der Melker Vertrag als ein Protokoll dem Beitrittsakt beigelegt und damit einklagbar wird, sei zwar nicht erreicht worden, aber die Melker Konklusionen werden dem Beitrittsvertrag als Annex angefügt, der EU-Rat habe diesen Vertrag positiv zur Kenntnis genommen und erwarte seine umgehende Umsetzung.

Hinsichtlich der Transitfrage erinnerte Schüssel daran, dass man in den Schlussfolgerungen des EU-Rates von Laeken 2001 eine dreijährige Verlängerung der Ökopunkte durchgesetzt habe und diese für ganz Österreich gelte. Dies wurde vergangene Woche am EU-Gipfel in Kopenhagen erneut bestätigt. Offen sei, in welchem Ausmaß die Ökopunkte reduziert werden müssen. Österreich habe massiv darum gekämpft, dass gleichzeitig im ersten Halbjahr die Kommission einen Vorschlag für eine neue Wegekostenrichtlinie vorlegt. "Alles, was jetzt beschlossen werden wird, kann nur eine Übergangsregelung sein. Was wir brauchen, sind massive Investitionen in die Bahn". Dazu brauche man aber eine Wegekostenrichtlinie, die eine faire europaweite Bemautung und Querfinanzierung für die Schiene erlaube.

Schüssel versprach, nicht locker zu lassen, um eine vernünftige Regelung für Österreichs Umwelt und Bevölkerung zu bekommen. "Wir sind dann stark, wenn wir die Kräfte nicht gegeneinander wenden. Wir müssen die anderen überzeugen. Das können wir nur, wenn wir gemeinsam auftreten", appellierte Schüssel an die Abgeordneten.

 
 Grüne: Große Probleme verlangen große Lösungen im Parlament
Blauschwarzer Antrag ist Armutszeugnis in Transit- und Temelin-Politik
Wien (Grüne) - "Die großen Probleme in den Bereichne Transit und Temelin, die uns die blauschwarze Regierung vererbt hat, verlangt nach großen Lösungen im österreichischen Parlament als Vorgabe für die weitere Regierungsarbeit. Der von FPÖVP eingebrachte Dringliche Antrage zu Kopenhagen wird diesen Ansprüchen absolut nicht gerecht", kritisieren die Verkehrssprecherin der Grünen, Eva Lichtenberger, und die Umweltsprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, am Freitag (20. 12.).

"In der Transitfrage zahlen wir jetzt die Rechnung für die falsche Strategie der Bundesregierung. Das ‚Aufheben’ des Transitproblems bis zum Kopenhagener Gipfel, war eine vorhersehbar falsche und ziellose Taktik mit fatalem Ausgang", erklärt Lichtenberger. Das sture Beharren auf den nachweislich falschen Kurs von Laeken - wo die ÖVP die Abschaffung der Obergrenze noch als Erfolg feierte - führte diretissima in die gegenwärtige Katatsrophe. "Nachdem die Transit- und Verkehrspolitik in der Sackgasse gelandet ist, mit der Veto-Karte zu drohen, ist eine mehr als jämmerliche Darbietung", ergänzt Lichtenberger.

"Mit ihrem heutigen Antrag verabschiedet sich die Bundesregierung eindeutig von einer aktiven Anti-Atom-Politik. Es wird lediglich vorgeschlagen, die äussert schwachen Schlussfolgerungen des europäischen Rates weiterverfolgen zu wollen. Die Regierung spricht sich auch dafür aus, die Vorschläge der umstrittenen Energiekommissarin Loyola de Palacio im Beeich Sicherheitsstandrads umsetzen zu wollen", führt die Umweltsprecherin der Günen, Eva Glawischnig, aus. Dieses Vorgehen hätte gravierende negative Auwirkungen auf die europäischen Atompolitik: Der Palacio-Vorschlag sieht vor, dass Sicherheitstandards nur völlig unverbindlich verankert und den einzelnen Mitgliedsländern selbst üerlassen werden solle, wie sie diese definieren.

"In Sachen Temelin wirkt der Regiungsantrag völlig hilflos. Nachdem BK Schüssel in Kopenhagen gescheitert und die Temelin-Sicherheitsvereinbarung nicht EU-rechtlich einklagbar ist, ist es ein Gebot der Stunde, eine neue Strategie mit offensiven Angeboten an Tschechien zu starten", ergänzt Glawischnig. Die Umweltsprecherin fordert dazu einen Temelin-Gipfel zwischen der Bundesregierung, den Parlamentsparteien, den betroffenen Landeshauptleuten und NGOs, um möglichst rasch einen Temeln-Aktionsplan zu erarbeiten. Dazu bringen die Grünen in der heutigen Sitzun einen demenstrechenden Antrag ein.
 
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