Bartenstein rechnet 2004 mit Stabilisierung des Arbeitsmarktes  

erstellt am
11. 12. 03

Aktuelle Aussprache mit Minister Bartenstein im Sozialausschuss
Wien (pk) - Die steigende Arbeitslosigkeit im Allgemeinen und die Jugendarbeitslosigkeit im Besonderen auf der einen Seite und die geplante Sozialhilfe Neu auf der anderen Seite standen am Mittwoch (11. 12.) im Mittelpunkt einer "aktuellen Aussprache" der Mitglieder des Sozialausschusses mit Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Bartenstein äußerte sich dabei hinsichtlich der Entwicklung des Arbeitsmarktes zuversichtlich und meinte, "mit einem Schuss Optimismus" könne man 2004 mit einer Stabilisierung des Arbeitsmarktes rechnen. Eingeräumt wurde von ihm, dass im kommenden Jahr mangels weiterer Rücklagen des AMS weniger Mittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung stehen werden als heuer, er verwies aber auf die Fortführung des Auffangnetzes für Jugendliche ohne Lehrstellenplatz und auf 1.000 zusätzliche Plätze zur Nachqualifizierung von Jugendlichen zwischen 19 und 24.

Großes Lob spendete Bartenstein den Sozialpartnern und insbesondere den Arbeitnehmern, die seiner Ansicht nach durch ihr verantwortungsbewusstes Verhalten bei den Lohnverhandlungen in den letzten Jahren die Wettbewerbssituation Österreichs gestärkt hätten. Vorwürfe, bei der Sozialhilfe Neu gehe es hauptsächlich um Einsparungen, wies er zurück und appellierte an die Abgeordneten, sich dem Thema emotionslos zu nähern. Von den neuen Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose erwartet sich der Minister eine neue Dynamik am Arbeitsmarkt.

Das Thema Jugendarbeitslosigkeit wurde unter anderem von den Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek (S), Josef Trinkl (V) und Andrea Kuntzl (S) angeschnitten, allerdings aus unterschiedlichem Blickwinkel. So wies Abgeordnete Heinisch-Hosek auf die Steigerung der Jugendarbeitslosigkeit um 44 % hin, während Abgeordneter Trinkl mit Genugtuung festhielt, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich im europäischen Vergleich nach wie vor niedrig sei. Beim Wirtschaftsminister erkundigte sich Heinisch-Hosek danach, wie viele Mittel vom Gesamtpaket zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit noch zur Verfügung stünden. Bedauern äußerte sie darüber, dass Plätze in Lehrwerkstätten frei stehen und der Minister hier keine Förderungen gewähren wolle.

Auch Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (F) nahm zur Frage der Lehrlingsausbildung Stellung. Er wies darauf hin, dass manche Unternehmen wie beispielsweise Leasingfirmen keine Lehrlinge ausbilden, und stellte Überlegungen an, ob Betriebe nicht in irgendeiner Form verpflichtet werden sollten, Beiträge zur Berufsausbildung zu leisten. Für ein großes Problem hält der Abgeordnete zudem jene Unternehmen, die für ihre Angestellten keine Sozialversicherungsbeiträge zahlten und dann aufgelöst würden. Der Wettbewerb werde durch solche Betriebe verzerrt und den Krankenkassen gehe das Geld ab, skizzierte er.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) übte Kritik an der geplanten Sozialhilfe Neu und wollte von Wirtschaftsminister Bartenstein wissen, ob es sich bei den Verhandlungen mit den Bundesländern in dieser Frage tatsächlich spieße, wie dies Sozialminister Haupt erklärt hatte. Es sei zwar sinnvoll, auch Sozialhilfeempfängern die Leistungen des AMS anzubieten, meinte der Abgeordnete, er glaube aber, dass die Gruppe arbeitsfähiger Menschen unter den Sozialhilfeempfängern klein sei. Er sieht das AMS zudem nicht in der Lage, für diese spezielle Personengruppe entsprechende begleitende Betreuung zu offerieren. Was das Thema illegale Beschäftigung betrifft, würde es Öllinger, wie er sagte, für ein probates Mittel halten, Verbandsklagen zuzulassen.

Abgeordnete Barbara Prammer (S) hielt fest, sie habe von der Arbeitsgruppe, die zum Bereich Sozialhilfe Neu eingesetzt wurde, schon länger nichts gehört. Für sie hat das in Aussicht gestellte neue Modell keinen Sinn, wenn Sozialhilfeempfänger nicht begleitend dazu arbeitsfähig gemacht würden. Ihre Fraktionskollegin Andrea Kuntzl forderte von Wirtschaftsminister Bartenstein verstärkte Aktivitäten hinsichtlich eines Kostenausgleichs zwischen den Unternehmen bei der Lehrlingsausbildung ein.

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) machte darauf aufmerksam, dass von den in der November-Statistik aufscheinenden zusätzlichen 11.100 Arbeitslosen nur 1.700 auf acht Bundesländer, jedoch 9.400 allein auf Wien entfallen würden. Er zieht daraus den Schluss, dass man das Problem Arbeitslosigkeit nicht verallgemeinern dürfe, sondern differenzierte Maßnahmen setzen müsse. Auffallend ist für Fasslabend zudem, dass rund ein Drittel der neuen Arbeitslosen keine österreichische Staatsbürgerschaft hat, was für ihn auf eine "importierte Arbeitslosigkeit" hindeutet.

Fasslabends Wortmeldung löste heftige Proteste beim Sozialsprecher der Grünen Karl Öllinger aus, der den Begriff "importierte Arbeitslosigkeit" als ein Monstrum bezeichnete und überdies geltend machte, dass es zwischen der Arbeitsmarktpolitik in Wien und den anderen Bundesländern keine Unterschiede gebe. Für den von Fasslabend aufgezeigten Sachverhalt gibt es seiner Ansicht nach unterschiedlichste Gründe.

Abgeordneter Georg Keuschnigg (V) zeigte sich über das grundsätzlich einvernehmliche Vorgehen in Bezug auf die Saisonier-Kontingente für das kommende Jahr erfreut. Zu bedenken gab er, dass Lehrlinge in der Tiroler Tourismusbranche immer häufiger aus den neuen deutschen Bundesländern kommen, weil sich zu wenig österreichische Jugendliche melden würden.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wies darauf hin, dass es mit den Sozialpartnern einen Konsens über die Fortsetzung des Lehrgangnetzes für Jugendliche ohne Lehrstellenplatz gebe. 1.000 der 5.500 Plätze, die vom AMS angeboten werden, sollen dabei für eine weitere Ausbildung von LehrgangsteilnehmerInnen aus den Vorjahren zur Verfügung stehen, die nach wie vor keinen Arbeitsplatz gefunden haben. Zusätzlich wird es laut Bartenstein für die Nachqualifizierung von Jugendlichen zwischen 19 und 24, die nicht in den "primären Arbeitsmarkt" einsteigen oder dort nicht Fuß fassen konnten, im kommenden Jahr 6.000 statt bisher 5.000 Plätze geben.

Finanziert werden sollen die Maßnahmen nach Auskunft des Ministers durch Mittel aus dem Insolvenzausfallfonds - die Unternehmer stellen laut Bartenstein 22 Mill. Euro aus den Reserven des Fonds zur Verfügung - , aus Mitteln des AMS-Zentralkredits (mind. 5 Mill. Euro) und aus der Auflösung von AMS-Rücklagen (23 Mill. Euro). Außerdem rechnet er mit zusätzlich mindestens 5 Mill. Euro aus den Bundesländern. Bartenstein räumte ein, dass diese insgesamt 55 Mill. Euro ein geringerer Betrag seien als die 80 Mill. Euro, die heuer für Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung stehen. Er hätte gerne zusätzliche zig Millionen, meinte er, es stünden aber keine weiteren AMS-Rücklagen mehr zur Verfügung.

Insgesamt stehen für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik nach Auskunft Bartensteins 2004 1,415 Mrd. Euro zur Verfügung, heuer sind es 1,408 Mrd. Euro.

Die Lehrlingsausbildung sieht Bartenstein, wie er sagte, als ein wichtiges Instrument, um Jugendarbeitslosigkeit zu vermeiden. Positiv bewertete er in diesem Sinn den in Vorarlberg auf freiwilliger Basis eingerichteten Lehrlingsfonds, der zu einem gewissen Ausgleich zwischen Unternehmen hinsichtlich der Kosten für die Lehrlingsausbildung führt. Der Minister sieht dieses Modell durchaus als Vorbild für gewisse Branchen, wandte sich aber strikt dagegen, einen "Zwangsfonds" einzurichten und Unternehmen, die keine Lehrlinge ausbilden, zu Kompensationszahlungen zu verpflichten. Bartenstein will vielmehr auf Bewusstseinsbildung setzen und verdeutlichen, dass viele Unternehmen deswegen am Markt "exzellent" seien, weil sie intensiv in Lehrlingsausbildung investierten. Wenig dagegen tun kann man seiner Ansicht nach, wenn von kleinen Unternehmen ausgebildete Lehrlinge von Großbetrieben abgeworben würden.

Zur von der SPÖ geforderten Förderung von Lehrwerkstätten merkte der Wirtschaftsminister an, staatsnahe Unternehmen hätten in der Vergangenheit versucht, ihre Lehrlingsausbildung "zu sozialisieren", wogegen er aufgetreten sei. Seiner Darstellung nach hat sich überdies die Effizienz von Lehrgängen als höher herausgestellt als jene von Stiftungen.

Was die Entwicklung der Arbeitslosenquote im kommenden Jahr anbelangt, meinte der Minister, "mit einem Schuss Optimismus" könne man mit einer Stabilisierung des Arbeitsmarktes rechnen. Wenn das Wirtschaftswachstum jetzt anspringe, sollte sich die Situation ab Mitte 2004 verbessern. Laut Bartenstein gehen die Experten bei einem Wirtschaftswachstum von 2 % von positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt aus, die Prognosen würden etwa in diesem Bereich liegen.

Die überproportional steigende Arbeitslosigkeit in Wien führt der Minister auf eine fehlende wirtschaftliche Dynamik zurück. Das AMS leiste jedenfalls sicher keine schlechte Arbeit, sagte er. Zur steigenden Arbeitslosigkeit von Ausländern merkte er an, er gehe im Einvernehmen mit den Sozialpartnern bei den Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer und Saisoniers restriktiv vor.

Ausdrückliches Lob spendete Bartenstein den Sozialpartnern und insbesondere den Arbeitnehmern, die seiner Ansicht nach in den letzten Jahren durch verantwortungsbewusstes Verhalten bei den Lohnverhandlungen einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbssituation in Österreich geleistet haben. Da die Produktivitätsgewinne nicht zur Gänze in höhere Löhne geflossen seien, sei es zu einer Verbesserung der Lohnstückkosten gekommen, skizzierte er.

Für "wegweisend" hält der Minister auch die Sozialpartnereinigung hinsichtlich der neuen Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose. Er erwartet sich davon eine zusätzliche Dynamik am Arbeitsmarkt und eine Verbesserung der Jobchancen für die betroffenen Arbeitnehmer. Das Modell sieht eine Mischung zwischen Berufsschutz und Entgeltschutz vor, Wegzeiten sind dann zumutbar, wenn sie nicht mehr als ein Viertel der Tagesarbeitszeit ausmachen.

Die Analyse, dass es sich bei den Verhandlungen zur Sozialhilfe Neu spießt, teilt Bartenstein, wie er erklärte, nicht, wies aber darauf hin, dass die entsprechende Arbeitsgruppe beim Sozialressort eingerichtet sei. Bartenstein zufolge geht es bei der Reform keineswegs darum, Notstandshilfe einzusparen, vielmehr sollten die Chancen für Sozialhilfeempfänger erhöht, Synergieeffekte erzielt und fairere Regelungen für die Betroffenen erreicht werden. Der Minister ist überzeugt, dass rund ein Drittel der Sozialhilfeempfänger arbeitsfähig ist, um diese soll sich künftig das AMS kümmern. Erwerbsunfähige Sozialhilfebezieher im Erwerbsalter sollen hingegen, so Bartenstein, bei den Ländern, Sozialhilfebezieher im Pensionsalter bei den Pensionsversicherungsanstalten "angedockt" werden. Als wesentlich erachtet er die regelmäßige Überprüfung der Erwerbsfähigkeit der Betroffenen, wobei die Beurteilung den Ärzten vorbehalten sein solle. Bartenstein appellierte an die Abgeordneten, sich dem Thema emotionslos zu nähern.

Für den Wiedereinstieg von Frauen in das Berufsleben stehen heuer laut Bartenstein 35 Mill. Euro zur Verfügung. Es gibt ihm zufolge heuer rund 36.000 Förderfälle, nach 30.100 im Jahr 2002. Die Förderungen betreffen Qualifikationsmaßnahmen ebenso wie Laufbahncoaching oder Beiträge zu den Kosten für Kinderbetreuung. Was Teilzeitarbeit für Eltern von Kindern im Vorschulalter anbelangt, hofft der Minister, dass künftig die Inanspruchnahme ebenso zur Selbstverständlichkeit wird wie der Antritt des jährlichen Urlaubs.

Zum Thema Abfertigung Neu führte Bartenstein aus, derzeit würden bereits für 740.000 ArbeitnehmerInnen Beiträge an die Mitarbeiter-Vorsorgekassen abgeliefert. Zwischen Arbeitgebern und Kassen seien 152.000 Beitrittsverträge abgeschlossen worden. Das Gros der unter die Abfertigung Neu fallenden Arbeitnehmer kommt ihm zufolge aus neuen Beschäftigungsverhältnissen, mit einem Wechsel aus alten Verträgen rechnet er nur zu einem geringen Teil.

Vorstellen kann sich Bartenstein, wie er sagte, eine freiwillige Arbeitslosenversicherung atypisch Beschäftigter, er sprach sich allerdings dagegen aus, atypisch Beschäftigte sozialversicherungsrechtlich gleich zu behandeln wie angestellte ArbeitnehmerInnen. Er glaubt, dass dadurch Jobchancen verloren gingen und man den Betroffenen nicht Gutes tue.

In Bezug auf die neu eingeführte integrative Berufsausbildung gab Bartenstein auf eine Frage von SPÖ-Abgeordneter Ulrike Königsberger-Ludwig bekannt, dass es bisher 223 eingegangene Verträge gebe, 200 davon in Wien.

Keine Antwort wollte Bartenstein auf die Frage von FPÖ-Abgeordnetem Dolinschek geben, ob er für eine Haftung von Generalunternehmen für Subunternehmen hinsichtlich der Ablieferung von Sozialversicherungsbeiträgen sei. Er verwies auf die Zuständigkeit des Sozialministeriums und meinte, er habe sich noch keine endgültige Meinung gebildet.
 
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