Forschung 2003: SARS als medialer Aufhänger  

erstellt am
29. 12. 03

Interesse an Umwelt lässt nach, Energien werden grüner und Gentech als Hype
Wien (pte) - SARS hat das Geschehen in der Wissenschaftswelt in der ersten Jahreshälfte entscheidend geprägt. Mit mehr als 800 Todesopfern hat die Infektionskrankheit zwar bei weitem nicht die Zahl der jährlichen Grippeopfer erreicht, dennoch wurde SARS das Schreckgespenst der wissenschaftlichen Medienberichterstattung und hat von März bis Juni die Medienlandschaft nachhaltig beeinflusst. Kritiker haben vorgeworfen, dass die Krankheit von den Medien hoffnungslos übersteigert wurde, da es gerade in dicht besiedelten Gebieten wie etwa der Millionen-Metropole Hongkong wesentlich mehr Opfer hätte geben können.

SARS hatte für die Region Südostasien aber verheerende Folgen: Erstmals in der Geschichte des Tourismus stand der Flugverkehr nach Hongkong still. Getroffen hat die Katastrophe nicht nur die autonome chinesische Provinz, die sogar eine Werbekampagne "Hongkong nimmt dir den Atem" zum Erliegen brachte, sondern auch den Stadtstaat Singapur, China, Taiwan, Thailand sowie Malaysien. Südostasiens Tourismus kam praktisch zum Erliegen. Die Suche nach dem Auslöser der heimtückischen Infektionskrankheit hat gezeigt, dass Infektionen immer wieder von Erregern ausgelöst werden können, die ihren Ursprung bei oder in Tieren haben und die sich in unglaublicher Art und Weise an neue Wirte anpassen und dort gefährliche Krankheiten bewirken können. Die global schlimmste Krankheit ist aber weiterhin Aids geblieben. Für viele Berichterstatter ist das HIV in den Jahren in Vergessenheit geraten, aber wie der Schlussbericht der WHO wieder deutlich zeigt, ist die Opferbilanz global im Steigen. Besonders betroffen davon sind afrikanische Staaten südlich der Sahara, aber auch die Länder Asiens. Heftige Kritik hat es seitens der NGOs an der starren Haltung multinationaler Pharmakonzerne gehagelt: die Verwendung lokal hergestellter Arzneimittel wurde nicht geduldet. Der Machtapparat globaler Player hat erneut seine Stärke bewiesen.

Auch aus der Versprechung, dass gentechnisch verändertes Saatgut die Menschen der Welt satt machen könnte, ist nicht viel geworden. Die USA haben die Haltung der EU zu gentechnisch veränderten Pflanzen erneut heftig kritisiert. Dabei haben auch Politiker plötzlich die Rolle von Experten übernommen, um ihre Position zu festigen und die US-Wirtschaft anzukurbeln. Geändert hat das an der tristen Situation in den Ländern der Dritten Welt nichts. Kritiker haben bemerkt, dass es sich hier um eine neue Spielart von Neokolonialismus in Form von Abhängigkeiten bei der Beschaffung von lebensnotwendigem Saatgut handelt. Tatsächlich hat sich die Wissenschaftswelt immer wieder, so auch im Jahr 2003, an traditionellem Wissen über Heilpflanzen und Praktiken orientiert. Immer noch sind Forscher in den Regenwäldern Asiens, Amazoniens und Afrikas unterwegs, um nach neuen Mitteln gegen die Geiseln der Menschheit - Krebs, Allergien und andere chronische Erkrankungen - zu suchen. Ungelöst sind auch weiterhin Fragen betreffend der Entstehung von Alzheimer und Parkinson geblieben. In der Entschlüsselung von genetischen Bauplänen sind die Forscher um wesentliche Schritte vorangekommen. Deutlich wird hier, wie komplex die Materie ist. Scheinbar folgt jedem neuen Schritt und jeder neuen Erkenntnis eine Vielzahl von bisher ungelösten Fragen.

Zu den dringlichsten Problemen der Industriewelt zählen immer noch die Themen Umweltverschmutzung und der immer immantere Verkehrsinfarkt, der Europa, Nordamerika und zunehmend auch Asien bedroht. Große Schritte wurden keine unternommen, um diese Gefahr abzuwälzen. Immer noch wehren sich Politiker dagegen Umweltverschmutzung, insbesondere den vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen, als die wichtigste Aufgabe zu einer nachhaltigen Entwicklung zu sehen. Waren es 2002 noch "irreale Bedrohungen" von tropischen Inselparadiesen im Indischen und Pazifischen Ozean, die durch den steigenden Meeresspiegel betroffen sind, haben Wirbelstürme, Waldbrände, Überschwemmungen, Lawinen und Murenabgänge auch in den Industrieländern wieder höhere Schäden verursacht als in den Jahren zuvor. Temperaturstürze, Hitzeperioden und Naturkatastrophen wurden als Hot-topics betrachtet. Da sich auch große Versicherungsunternehmen mit der Schadensproblematik beschäftigt haben, wurde etwa die Trockenperiode im Sommer 2003 in Europa zu einem Thema. Hier wurde eher von der ökonomischen Seite berichtet, obgleich die Experten auch mit den steigenden Schäden für die Umwelt per se aus diesen Naturkatastrophen gewarnt haben. Das große Artensterben auf dem blauen Planeten geht hingegen munter weiter. Neben den Meeressäugern, tropischen Pflanzen und Tieren trifft es auch in diesem Jahr wieder den kommerziellen Fischfang in Nordamerika und in Europa. Auch hier haben die Verantwortlichen scheinbar keine Konsequenzen gezogen: Anstatt den Fischfang generell zu stoppen, wurden Fangquoten festgelegt, die die Wissenschaftler immer noch als zu hoch bezeichnen.

Zu den größten Problemen der Erdbevölkerung zählt aber auch das Auftreten von so genannten Zivilisationskrankheiten wie Fettsucht und Diabetes. Auch in diesem Jahr haben zahlreiche Untersuchungen ergeben, dass die Menschen in den Industriestaaten zu fette und süße Nahrung zu sich nehmen. Doch bleiben auch die Länder der Dritten Welt von den Folgen der "minderwertigen bzw. einseitigen Ernährung" nicht verschont. So klagen Politiker in Indien über zunehmende Raten an Fettsucht und Diabetes. Die Übernahme westlicher Ernährungsgewohnheiten in Entwicklungsstaaten führt zu einer extremen Zunahme an bisher unbekannten Erkrankungen. In den USA ist es wie nicht anders zu erwarten zu wahren Feldzügen gegen Fastfood-Restaurant-Ketten gekommen. Sammelklagen und rechtliche Schritte wurden angekündigt und zum Teil auch schon eingebracht.

Lernen aus der Natur. Bionik, die Verknüpfung von Technik und Natur, hat neben der Nanotechnologie auch 2003 wieder zu einigen Highlights in der Wissenschaftsberichterstattung geführt. Technologie übernimmt von der Natur Wissen, das die Evolution in Jahrmillionen ausgeprägt hat. Einige Beispiele haben gezeigt wie perfekt die Natur mit Herausforderungen in der Physik und Chemie umgehen kann. Auch natürliche Mittel zum Abbau hochtoxischer Stoffe zählen hierzu. In der Nanotechnologie sind die Konzeptionen noch kleiner und noch perfekter geworden. Anwendungen in der Hightech-Medizin haben in der Behandlung zu zahlreichen Innovationen geführt.

Auch die Versorgung mit Energie zählt weiterhin zu den größten Problemen der Menschheit. 2003 war ein Jahr, in dem Offshore-Windenergieparks einen neuen Höhepunkt erlebt haben. Windenergie wurde auch in Zentral- und Mitteleuropa zum absoluten Renner. Solarenergie war in Ermangelung an Fördermitteln im Vergleich dazu abgeschlagen. Immer noch bestimmen multinationale Konzerne die Energieversorgung. In ihrer Hand liegt die Zukunft, daher werden bestimmte Energieerzeugungsvarianten weiterhin hoch gefördert. Dazu zählt in der EU die Atomstromerzeugung. Erdöl-Konzerne haben die Zeichen der Zeit teilweise erkannt und betreiben Forschungsprojekte mit erneuerbaren Energien, insbesondere mit der Entwicklung neuer Solarsysteme. Die finanzielle Systematik in Europa setzt aber weiterhin auf eine zentrale Energieversorgung. Lokale Produktion spielte auch 2003 eine eher untergeordnete Rolle. Für Länder der Dritten Welt oder Inselstaaten bedeutet dies weiterhin eine verschärfte Situation, denn Investitionen sind dort nur in geringem Ausmaß vorgesehen. Hier bleibt die Hoffnung auf finanzielle Unterstützung der reichen Staaten. Das ist ein weiterer Beweis für die immer größer werdende Schere zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern.
 
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