"Rede zur Lage der Nation"

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Nicht alles ist perfekt gelaufen


Der Wunsch nach Veränderung ist keine Augenblickslaune gewesen - Der Reformstau der 90er Jahre ist in Auflösung

"Neue Themen brauchen auch neue Wege und nicht jeder Pfad ist schon gepflastert. Nicht alles, was wir begonnen haben, ist perfekt gelaufen", sagte Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel in seiner "Rede zur Lage der Nation" zum Thema "Im Interesse Österreichs: Rot-weiss-rot regieren" im Großen Redoutensaal der Wiener Hofburg. Wer heiße Eisen anfasse, könne sich auch die Finger verbrennen, "und wer es nicht tut, verletzt seine Pflicht", so Schüssel, der dazu aufforderte, die Kirche im Dorf zu lassen und nicht aus der Mücke eines Abstimmungsfehlers bei der Erstellung eines Gesetzestextes einen verfassungsrechtlichen Elefanten zu machen. "Die Richtung stimmt und das ist entscheidend", betonte der Bundeskanzler.
"Ich bin noch nicht zufrieden, wir müssen besser werden in der Qualität, in der Professionalität, aber wir können darauf vertrauen, daß der Wunsch der Wähler nach Veränderung nicht eine Augenblickslaune gewesen ist, sondern Ausdruck eines steigenden Bewusstseins, daß es nicht einfach weitergehen konnte wie bisher. Parlamentarische Mehrheiten sind kein Irrtum, den man weg interpretieren kann", führte der Bundeskanzler aus und nahm in diesem Zusammenhang bewusst Bezug zur gestrigen italienischen Wahl. Aufgeregtheit, von einem selbst, den Medien oder der Opposition nütze niemandem. "Wir müssen zu einer maßvollen Sprache zurückfinden, welche die Realität im Auge behält und sich vor Übertreibungen hütet", kritisierte Schüssel jüngste Äußerungen wie die des neuen geschäftsführenden SPÖ-Klubobmanns, der von einer "apokalyptischen Regierung" gesprochen hatte. "Zuhören-Können" und die zum Dialog ausgestreckte Hand seien für ihn Grundtugenden in der Politik, so der Bundeskanzler, der an den Ausspruch von Alfons Gorbach erinnerte: "In der Politik sollen wir miteinander streiten, aber bös' sein dürfen wir einander nicht".
"Der Reformstau der 90er Jahre ist in Auflösung und Reformen, die längst fällig gewesen sind, werden von der Bevölkerung breit mitgetragen", sagte Schüssel. Die Negativmerkmale "Strukturkonservatismus" und "Reformverweigerung" würden heute den anderen Kräften, vor allem der Opposition im politischen Spektrum zugeordnet. Die Alltagsweisheit "nur net hudeln!" könne nicht der Wappenspruch einer Regierung sein, "die sich vorgenommen hat, unser Land erfolgreich ins 21. Jahrhundert zu führen", sagte der Bundeskanzler. Zu lange habe man Denkverbote nicht mehr hinterfragt und sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner begnügt. Dabei solle nicht vergessen werden, daß es vor 15 Monaten keine vernünftige Alternative zu dieser Regierung gegeben habe. "Ich habe im Lichte der Erfahrungen der letzten Monate keinerlei Grund, diese Entscheidung zu bereuen. Ganz im Gegenteil. Ich weiß: Die Österreicher und Österreicherinnen haben viel mehr Verständnis für notwendige Veränderungen, als es manchmal mediale Aufgeregtheiten vermuten lassen", betonte Schüssel. "Daher werden sich jene täuschen, die sagen, diese Regierung wird nur eine kurze Episode von einigen Monaten sein." Er setze dem entgegen: "Österreich braucht frischen Wind und eine tiefgreifende Erneuerung vieler Strukturen." Es brauche entschlossene Weichenstellungen, professionell vorbereitete Reformschritte "und ein klares Linie halten", definierte der Bundeskanzler die für ihn positiven Elemente guter Politik.

Mittelbare Bundesverwaltung abschaffen

"Wir müssen ein Modell für Österreich denken, wo wir 2010 stehen wollen. Wir müssen endlich beginnen, über eine Legislaturperiode hinaus zu denken", sagte heute, Dienstag, Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel anlässlich der "Rede zur Lage der Nation" in der Wiener Hofburg. "Ich sehe uns 2010 in einem größeren und bunteren Europa, in dem alle zu Wort kommen, mitgestalten und das Ihre einbringen. Das Modell Österreich definiert sich in erster Linie als ein Ziel der Lebensqualität. Es ist auch ein Land, in dem wir uns ehrgeizige, aber machbare und überprüfbare Ziele setzen."
Diese Ziele seien, so Schüssel, vielfältig. "Ich will die österreichische Exportquote um weitere zehn Prozent steigern. Das ist ein realistisches Ziel. Wir haben das in der letzten Dekade auch geschafft." Zudem solle eine Absenkung der Abgabenquote bis 2010 auf 40 Prozent erreicht werden. "Das bedeutet mehr verfügbares Einkommen für die Haushalte und mehr Bewegungsspielraum für die Unternehmen." Ein erster Schritt dazu sei die im Regierungsübereinkommen vorgesehene Senkung der Lohnnebenkosten bis zum Ende der Legislaturperiode "in vollem Umfang", das heiße um 15 Milliarden Schilling. "Ich will weiters für 2003 eine Steuerreform verwirklichen, aber wir müssen sie uns leisten können, ohne wieder in die Schuldenfalle zu tappen", führte der Bundeskanzler aus. "Ich will einen modernen Staat mündiger Bürger Wirklichkeit werden lassen. Die mittelbare Bundesverwaltung gehört ersatzlos gestrichen." Es wäre fatal, hier Nein zu sagen, sparte Schüssel nicht mit Kritik an der Opposition. Der Bundeskanzler stellte zudem klar, daß er "ein klares Bildungsziel für Österreich" erreichen wolle. "Die Akademikerquote soll auf 20 Prozent, von derzeit rund acht Prozent, mehr als verdoppelt werden. Gleichzeitig soll der Anteil der Jugendlichen, die über keinen Pflichtschulabschluss verfügen, halbiert werden." Das könne den Standort Österreich "um Lichtjahre" voran bringen.
Die Ziele seien nun definiert. "Machen wir uns also auf den Weg", forderte Schüssel. Die "Raststätte der wohlerworbenen Rechte" müsse man hinter sich lassen. "Wir wollen ein Österreich, in dem wir die Sicherheit haben, so zu leben, wie wir es wollen: Daheim und am Arbeitsplatz, allein und in Gemeinschaft, in Stadt und Land, als Inländer und als Ausländer", sagte der Kanzler. "Ich will ein Österreich, in dem wir uns auch verlassen können auf eine leistungsfähige Wirtschaft, auf eine gut funktionierende und saubere Verwaltung, auf die Qualität von Luft und Wasser, von Lebensmitteln und Infrastruktur." Das alles könne niemand alleine erreichen. "Ich brauche und will Partner. Jeder der mitgehen, mitreden und mitdenken will, soll es auch tun", richtete Schüssel einen Appell an die Österreicherinnen und Österreicher. Das Motto könne nur lauten: "Denken Sie mit! Reden Sie mit! Arbeiten Sie mit! Im Interesse Österreichs", lud der Bundeskanzler ein.

Österreichische Verwaltung soll Standortvorteil werden

"Österreich soll vom selbstzufriedenen Verwaltungsstaat zum bürgernahen Leistungsstaat werden. Dazu brauchen wir auch im öffentlichen Sektor marktorientiertes Denken und unternehmerisches Handeln. In allen Ämtern muß künftig das Bewusstsein gelten: der Bürger ist Kunde und nicht Untertan", forderte ÖVP-Chef Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in seiner "Rede zur Lage der Nation" heute, Dienstag. "Ich will die österreichische Verwaltung und die österreichischen Beamten zu einem Standortvorteil für Österreich machen und nicht zu einem Klotz am Bein."
Im europäischen Vergleich sieht der Bundeskanzler noch starken Aufholbedarf. "Wenn Österreich und andere Mitgliedsstaaten von Europa schlanke, unbürokratische Strukturen verlangen, dann müssen wir doch auch unsere innerstaatlichen Anstrengungen um die Verwaltungsreform verstärken. Für den Bürger ist es unerheblich, von welcher Seite er unnötig belastet wird: Er hat ein grundsätzliches Recht auf weniger Bürokratie", so Schüssel. Mit einer Staatsquote, die vier Prozent über dem EU-Schnitt liege und einer Beschäftigungsquote von etwa zwei Prozent über dem OECD-Schnitt, habe Österreich einfach zu viele Dienstposten und zu viele Parallelstrukturen. Dem müsse mit einer Zuständigkeitsreform entgegengetreten werden. Dazu käme, daß in Österreich noch immer zu viele Aufgaben vom Staat erledigt würden, die Private besser, kostengünstiger und schneller erledigen könnten.
"Unsinnigen Ideen" wie der Abschaffung der Bundesländer und der Landtage sowie einer damit verbundenen Zentralisierung erteilte Schüssel eine klare Absage. Die Volkspartei sei tief im Föderalismus verankert. "Wir sind stark in und mit den Bundesländern. Wir stellen 80 Prozent der Bürgermeister. Wir kennen alle Ecken und Enden des Landes. Das ist unser kostbarer Standortvorteil, aber auch unsere besondere Verantwortung in der politischen Parteienlandschaft", definierte die Kanzler die diesbezügliche Rolle der Volkspartei. Gefor-
dert seien noch stärkere Anstrengungen bei der Umsetzung der Verwaltungsreform. "Gute Lösungen sind hochgradig ansteckend - wir brauchen das Geheimnis des benchmarking. Ich wünsche mir daher einen Wettbewerb zwischen den Ministerien, zwischen den Regionen und Gemeinden um die schlankere, innovativere, schnellere, vernetztere Verwaltung", so der Bundeskanzler.

"Wie goldrichtig wir mit dem Kinderbetreuungsgeld liegen, zeigt die Diskussion in Deutschland"

Ein ganz wichtiger Baustein der Politik der Volkspartei sei "die Arbeit für eine gute Gegenwart für unserer Kinder". Erstmals gebe es eine wirkliche Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung. Den Sozialdemokraten dagegen sei das Kinderbetreuungsgeld zu teuer, sie würden den Familien das Geld am liebsten wieder wegnehmen. "Ihr Vorsitzender redet von der Grundsicherung ohne Leistung für jeden, aber beim Kinderbetreuungsgeld sollen Hausfrauen, Studentinnen, geringfügig Beschäftigte und Bäuerinnen ausgeschlossen werden", kritisierte heute, Dienstag, Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel im Rahmen der "Rede zur Lage der Nation". Dank der Politik der Volkspartei würden nun aber drei Jahre Karenzgeld für alle Wirklichkeit: "Unsere Idee hat sich durchgesetzt", sagte der Bundeskanzler.
"Wie goldrichtig wir mit dem Kindergeld liegen, zeigen auch die Diskussion in Deutschland, wo das d a s Thema wird, in England und in Dänemark, wo das Kindergeld ein heißes Thema im Wahlkampf ist, vor dem sich die Sozialdemokraten schon fürchten", betonte Schüssel. Der stets kritische Günther Nenning habe vor kurzem zu Recht geschrieben: "Kinder und Familien können gar nicht genug gefördert werden." 150.000 Kinder würden derzeit in Österreich an der Armutsgrenze leben, es müsse gelingen, diese Familien aus dieser Situation heraus zu führen. "Mut zum Kind darf in Österreich kein Grund sein, in die Armutsfalle zu geraten", so Schüssel.
Die Bevölkerungsstatistik verschaffe die bittere Bestätigung: "Das wichtigste Gut für die Zukunft unserer Gesellschaft, das Kind, wird nach den Prognosen immer rarer." Die Geburtenrate in ganz Europa und auch in Österreich sinke. Nüchtern betrachtet könne das fatale Folgen haben, etwa für die Finanzierbarkeit der Pensionen. Eine Gesellschaft mit weniger Kindern sei ärmer, grauer und weniger lebenswert, als eine Gesellschaft, in der alle Generationen in Balance vertreten seien. "Eine Welt mit Kindern ist bunter und lebenswerter", betonte der Bundeskanzler. Die Familien seien das "zentrale Element unserer Gesellschaft."
"Nicht von ungefähr hätten "die knallharten Außen- und Wirtschaftspolitiker" Raab und Kamitz den Familienlastenausgleichsfonds und damit die Grundlagen zur Förderung unserer Familien geschaffen. "Ich bin kein Romantiker, ich bin Politiker: Aber ich habe lange gekämpft um bessere Rahmenbedingungen für Kinder und damit auch für Mütter und Väter", sagte der Bundeskanzler. Eine junge Politikerin, Romana Widhalm, die leider viel zu früh verstorben sei, sei die Ideenspenderin, die Mutter dieses Kinderbetreuungsgeldes gewesen, erläuterte der Bundeskanzler, der ihr ausdrücklich dafür dankte.

Europäischer Anspruch erfordert vorbehaltslose Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit

In weniger als acht Monaten werde man die gemeinsame Währung in Händen halten. Die Kostensenkung, die sich mit dem Euro ergebe, werde ein Standortvorteil für die Euro-Zone sein, erklärte heute, Dienstag, Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel in der "Rede zur Lage der Nation". Mit dem Vertrag von Nizza habe man "nach den finanziellen auch die institutionellen Hausaufgaben" für die EU-Erweiterung abgeschlossen. Nun beginne die spannende Diskussion um die Zukunft Europas mit 25 bis 27 Mitgliedern. "Diese Diskussion können wir nicht an Experten delegieren." Deshalb habe er, Schüssel, für den 30. Mai zu einem "Europa-Gespräch" geladen, "das den Startschuß für eine breite und offene Diskussion in Österreich" geben werde.
Das vom Bundeskanzler vergangene Woche thematisierte "offene Konvent-Modell" soll "Diskussionen in Elfenbeintüren, wo kleine Gruppen an unantastbaren Texten basteln", verhindern. "Ich will, daß die Bürger Europas darüber nachdenken und streiten dürfen. Das Thema der Subsidiarität müssen wir ernst nehmen. Eine Europäische Verfassung ist nämlich ohne gelebte Subsidiarität sinnlos", konstatierte Schüssel.
Es sei nun notwendig, die großen Zusammenhänge zu denken und zu begreifen, um im wirtschaftlichen Wettbewerb und im globalen Dialog der Kulturen bestehen zu können. "Wir müssen gleichzeitig das Bedürfnis nach Identitätsstiftung im ganz Kleinen verstehen", so der Bundeskanzler. Beides seien "positive, schöpferische Kräfte, die Sicherheit und Zuversicht geben können, wenn und soweit ihr Verhältnis zueinander in der Balance bleibt". "Wir wollen ein starkes Europa, wir brauchen aber keinen Superstaat", sagte der Bundeskanzler und erinnerte an den Ausspruch von Tony Blair: "Europe as a superpower, not as a superstate". Europa werde nun endlich zu jenem Raum, "in dem wir mit allen unseren Nachbarn nach gemeinsamen Regeln, für gemeinsame Zielsetzungen, aus freier Entscheidung leben können". "Was für die Gründerväter Europas die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich war, ist für unsere Generation die epochale Aufgabe, die Erweiterung gut und richtig zu machen." Ängste von gestern seien dabei nicht angebracht: "Natürlich brauchen eingefrorene Vorurteile und Altlasten Zeit, abgebaut zu werden. Wir müssen sie aber offen ansprechen und abstreifen", forderte der Bundeskanzler. Das "Konzept der Partnerschaft der Mitteleuropäer" sei nicht nur beim Erlernen der qualitativ neuen Dimension der Partnerschaft wichtig. Geographische Partnerschaft allein genüge nicht. Es gelte auch für Österreich: "Wir müssen unsere neuen Nachbarn besser kennen und verstehen lernen und uns nicht Slogans zurufen." Man müsse nicht nur zuhören, sondern auch gemeinsam handeln. "Die Erweiterung richtig gemacht, ist ein Vorteil für alle."
Wer solche Ansprüche stelle, "muß der eigenen Vergangenheit ohne Vorbehalte in die Augen sehen". "Für uns Österreicher umfasst dieser Anspruch auch das Erbe des Nationalsozialismus, das nicht einfach abgestreift werden kann", erklärte der Bundeskanzler. Kaum eine Frage könne heikler sein, als der Umgang mit diesem schwierigen Erbe, an kaum einem Punkt bedürfe es größerer Ehrlichkeit, aber auch größeren Taktgefühls. Schüssel: "Ich glaube sagen zu können, daß es für uns Österreicher einer der Wege ist, dieses Erbe anzunehmen, indem wir besondere Sorgfalt und Energie darauf verwenden, den Opfern des Nationalsozialismus in dem bescheidenen Rahmen, in dem das überhaupt möglich ist, eine Entschädigung zukommen zu lassen."
Dieses "Zukommen lassen" sei keine Großzügigkeit, die gewährt würde, sondern ein spätes, zu spätes Eingeständnis, daß die Republik Österreich, selbst Opfer und zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existent, auch nach ihrer Wiedererrichtung an vielen Opfern Unrecht verübt habe, indem sie einfach die Rückgabe von Eigentum verschleppt und die Mitverantwortung vieler ihrer Bürger nicht offen oder nicht deutlich genug einbekannt habe. "Ich möchte mich im Namen der Republik bei den Opfern und ihren Nachkommen zu diesem Unrecht bekennen und sie einladen, unsere jetzigen Bemühungen um späte Gerechtigkeit anzuerkennen", sagte der Bundeskanzler.

Verhaltensvereinbarung wichtiger Schritt hin zu einer neuen Schulkultur - Bildungsoffensive rollt

"Was ist zeitgemäßer, als einen partnerschaftlichen Weg auch in den Schulen zu suchen? Die Dr. No's in der SPÖ sollen endlich aufwachen, sie sollen aufhören, andauernd das 19.Jahrhundert mit dem Rohrstaberl zu beschwören", forderte heute, Dienstag, Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel im Rahmen der "Rede zur Lage der Nation" in der Wiener Hofburg. Mit dem positiven Signal einer modernen Pädagogik werde nach dem Motto 'Vereinbaren statt anordnen' ein wichtiger Schritt hin zu einer neuen Schulkultur gemacht.
"Ich glaube überhaupt, daß die hohe Qualität von Bildung und Wissen in Österreich der zentrale Standortfaktor für die Zukunft sein wird." In Österreich gebe man jeden 7. Schilling für Bildung, Wissenschaft und Forschung aus und liege damit im europäischen Vergleich auf Platz 4 hinter Schweden, Dänemark und England (noch vor Frankreich, Deutschland und Großbritannien). "Das ist die beste Investition in die Zukunft unserer Landes. Das ist mehr als jemals zuvor", bewertete der Bundeskanzler die 110 Milliarden Schilling, die im Jahr 2002 für Bildung ausgegeben werden. Henry Ford habe einmal gesagt, die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes beginne nicht in der Fabrikshalle, sondern in den Klassenzimmern. Dort rolle auch die Bildungsoffensive von Bildungsministerin Gehrer: 3 Milliarden Schilling gab es in den letzten drei Jahren für die Computerausstattung der Schulen; alle österreichischen Schulen verfügen über einen Internetzugang; in keinem anderen europäischen Land gibt es so viele EDV-Plätze wie an Österreichs allgemein bildenden höheren Schulen; 166 höhere Schulen haben einen Informationsschwerpunkt; ab September werden in 40 neuen IT-Klassen 1.000 Jugendlich unterrichtet; ab Herbst stehen zusätzlich 975 FHS-Studienplätze zur Verfügung; die Zahl der Absolventen aus berufsbildenden Schulen wird von heute 20.000 auf 30.000 bis 2003 steigen; die Zahl der IT-Absolventen aus Fachhochschulen und Universitäten wird bis 2003 vervierfacht werden.
"Die Qualitätsoffensive im Bildungsbereich kann aber nur funktionieren, wenn Schule und Elternhaus ihren Beitrag leisten", erklärte Schüssel. Ein Appell des deutschen Lehrerverbandes, aus dem hervorgehe, daß viele Selbstverständlichen scheinbar in vielen Familien keine Selbstverständlichkeit mehr seien, habe ihn nachdenklich gestimmt. Darin würde zB thematisiert, ob die Kinder genug Schlaf haben; daß Kinder vor der Schule ein Frühstück bekommen; ob und wie Kinder ihre Schularbeiten erledigen; daß sie am Nachmittag ein bisschen Gelegenheit zu Sport und Spiel haben müssen; daß kulturelle Angelegenheiten im Elternhaus sich nicht auf Dauerfernsehen beschränken dürfen; usw. Diesen Hilfeschrei müsse man ernst nehmen. "Gerade die aktuelle und wichtige Diskussion um die Verhaltensvereinbarung an österreichischen Schulen zeigt, daß ein besseres Miteinander zwischen Schülern, Lehrern und Eltern viele Konflikte und Probleme leichter lösen lässt", betonte Schüssel.

Schweigende Opposition schadet Sozialkonsens

"Hier ist ein Geständnis fällig: Ich habe am 1. Mai den Vorschlag gemacht, darüber nachzudenken, wie wir das gesetzliche Pensionsalter von 65 Jahren und unser tatsächliches Pensionsalter zusammenführen können. Das war kein Ausrutscher", sagte Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel heute, Dienstag in der "Rede zur Lage der Nation". Er, Schüssel, wolle ein "Bündnis für die Generationen" schaffen. Bei den 55- bis 65jährigen ginge eine ganze Generation, die viel in die Gesellschaft einbringen könne, einfach verloren. "Die Kreativität der Regierung, der Medien, der Opposition und der Sozialpartner ist gefragt", forderte der Bundeskanzler "damit wir diese Generation nicht unterwegs verlieren".
Das Recht auf Arbeit, das Sinnstiftende der Arbeit, müsse mit einem guten Sozialsystem kombiniert werden. Neue Technologien seien beispielsweise nicht nur etwas für Junge. "Wir müssen hier auch die Älteren einbinden", forderte der Bundeskanzler. Wenn sich nun die Opposition in dieser wichtigen Diskussion einfach verweigere, widerspreche sie eindrucksvoll ihrem eigenem Argument, daß bei der letzten Pensionsreform die langfristige Lebensplanung der Menschen nicht ausreichend berücksichtigt worden sei.
Wann, wenn nicht jetzt, solle darüber nachgedacht werden, wie in zehn Jahren die Situation aussehen kann. "Wer jetzt schweigt, wer jetzt die Diskussion verweigert, schadet dem Sozialkonsens und dem Generationenvertrag", kritisierte der Bundeskanzler scharf. Man habe im Vorjahr mit der schrittweisen Anhebung des vorzeitigen Pensionsalters um eineinhalb Jahre eine nachhaltige Maßnahme gesetzt. "Das war ein wesentlicher größerer Schritt als 1997", sagte der Kanzler. Damals habe die SPÖ mit der Gewerkschaft einen solchen Schritt verhindert. "Österreich kann und will es sich nicht leisten, die ältesten Studierenden, jüngsten Pensionisten und die meisten Frühpensionisten zu haben."
Die Begründung für seinen Vorstoß sei klar: In Österreich lebten die Menschen seit 1970 um drei bis vier Jahre länger und würden zwei Jahre später ins Berufsleben eintreten sowie sechs Jahre früher ausscheiden. "Wir haben im Durchschnitt alle eine um sieben Jahre längere Pension", konstatierte der Kanzler. Nur rund 14 Prozent erreichten das gesetzliche Pensionsalter, fast 90 Prozent der 60- bis 65jährigen, die eine Generation zuvor bei deutlich weniger Lebenserwartung, geringerer Gesundheit und niedriger Bildung noch fast alle aktiv gewesen seien, seien heute im selben Alter in Frühpension. Als Beispiele nannte Schüssel England, die Schweiz und Deutschland, wo derzeit aktuelle Diskussionen über Rentenreformen und das Pensionsantrittsalter liefen bzw. bereits abgeschlossen werden konnten.

Haben uns als aufrechte und verlässliche Europäer gezeigt

Nach einem Drittel der Legislaturperiode seien die wesentlichen Grundlagen der Sanierungsarbeit gelegt. "Vieles wurde in Angriff genommen und ist auf gutem Weg - wir sind mitten drin", sagte heute, Dienstag, Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel anlässlich der "Rede zur Lage der Nation". Derzeit stehe man am "Schnittpunkt der ersten zur zweiten Phase vom Sanieren zum Reformieren". Dabei sei "Beharrlichkeit, ein langer Atem und Linie halten gefragt". "Ich haben Ihnen und mir viel zugemutet in den letzten 15 Monaten, ich weiß das", sagte der Kanzler. Auch wenn manche Maßnahmen schmerzvoll und nicht leicht zu akzeptieren gewesen seien, seien sie doch "notwendig und richtig" gewesen. Entscheidend sei, daß die Richtung stimme. "Nicht das starre Beharren auf Details bringt schon die beste Lösung, sondern Offenheit und Flexibilität für bessere Vorschläge und Ideen."
Im "Zu-muten" stecke das "Mut haben" wie auch das "Mut machen", die ermutigende Zuwendung zum anderen - "zum Partner". "Mit einem neuen Koalitionspartner Österreich neu regieren: Dieses Vorhaben war kontroversiell, war in den Augen vieler risikobehaftet, ein Tabubruch und für manche schlicht unvorstellbar." All das habe "viel Kraft und Entschlossenheit" gebraucht. Schüssel: "Es hat von uns den Mut verlangt, aus erstarrten Schablonen auszubrechen" und im wahrsten Sinne des Wortes Ungewohntes zu wagen. Er habe in all dem Neuen aber auch auf einiges vertrauen können: auf den verlässlichen Boden der Demokratie mit erprobten und verlässlichen Regeln und Institutionen.
Derzeit sei man "mitten drin" in der Sanierung der "kranken Kassen", der Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger, der Öffnungszeitenfrage, der Uni-Dienstrechtsreform, der Reform des Vorverfahrens im Strafrecht, der Verwaltungsreform, der "Abfertigung-neu". Ein rotweiß-roter Sicherheitsapparat und eine zeitgemäße Verteidigungsdoktrin stünden an. Dabei habe man schon einiges erreicht: "Die Frühpensionierungen gehen erstmals zurück. Drei Budgets sind beschlossen, die Zwangsarbeiter- und Restitutionsfrage ist gelöst, der Minderheitenschutz ist als Staatsgrundziel in der Bundesverfassung verankert, die Arbeiter und Angestellten sind rechtlich gleichgestellt, der Staat hat sich aus der Industrie zurückgezogen", resümierte der Kanzler. Bereits jetzt seien die Hälfte der Altschulden der ÖIAG zurückgezahlt.
"Es war richtig, das Budget sofort zu sanieren. Die Konjunktur ist stark, das Wirtschaftswachstum gut, der Zeitpunkt also geradezu ideal - und wann, wenn nicht jetzt, hätten wir das Budget sanieren sollen?", fragte der Kanzler. Ein Zuwarten, wie es die Sozialdemokraten heute noch suggerierten, hätte Milliarden gekostet, "und das wäre nicht zu verantworten gewesen". Es sei auch richtig gewesen, die Pensionen abzusichern und das tatsächliche Pensionsalter schrittweise dem gesetzlichen anzunähern. "Denn die Wirtschaft braucht die erfahrenen Arbeitskräfte in den Betrieben." Mit der Pensionsreform sei es gelungen, die Steigerung der Bundeszuschüsse bis zum Jahr 2003 zu halbieren. Damit erst sei die Finanzierung der gesetzlichen Pensionsvorsorge gesichert. Hätte man die Pensionsreform gestoppt - wie die Sozialdemokraten es wollten und es mit einer Klagsdrohung noch immer wollen - hätte man unseren Kindern Milliarden an zusätzlichen Schulden aufgebürdet, "und das wäre nicht zu verantworten gewesen", unterstrich der Kanzler.
Auch sei es richtig gewesen, den Umbau des Staates "in einer neuen Entwicklungsphase in Europa" zu beginnen. "Österreich hat zu viele Beamte und zu viele Verwaltungsebenen, aber zu wenig bürgernahe Servicestellen. Wir e-mailen in wenigen Minuten wichtige Botschaften übers Internet, schicken messages übers Handy, aber wir brauchen immer noch Wochen und Monate für Genehmigungen, Bescheide und Dokumente." Schüssel sparte auch hier nicht mit Kritik an der SPÖ: "Die Sozialdemokraten haben die Bundesstaatsreform jahrelang verhindert und blockiert. Wir werden jetzt nachholen und uns nicht bremsen lassen, was Vranitzky und Klima verhindert haben."
In der Sanktionsfrage sei es richtig gewesen "Flagge zu zeigen und Linie zu halten". "Wir haben Stil und Ton richtig getroffen. Wir waren korrekt und erfolgreich. Wir haben für unser Land, seine Interessen, seine Würde gekämpft, aber nie beleidigend oder kränkend. Wir haben uns in bewährter Tradition - das ist eben rot-weiß-rot - als aufrechte und verlässliche Europäer gezeigt."

Einrichtung einer Bioethik-Kommission im Bundeskanzleramt

Die Biomedizin eröffne ungeheure Chancen, vor allem für unsere Kinder, sagte heute, Dienstag, Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel im Rahmen der "Rede zur Lage der Nation" in der Wiener Hofburg. Diese Entwicklung werfe aber gleichzeitig die fundamentalsten, unausgelotetsten ethischen und juristischen Fragen auf. "Ich werde daher eine Bioethik-Kommission im Bundeskanzleramt einrichten, in der Mediziner, Humanwissenschafter, Theologen und Rechtsgelehrte sich mit diesem Zukunftsfragen auseinandersetzen und der Politik mit Beratung und Expertise zur Seite stehen."
Die rasante Entwicklung der Forschung lasse keine Zeit. Man werde rasch darüber reden müssen, was es für unser Gesundheitssystem, für die Wirtschaft, für den Zusammenhalt in der Gesellschaft und das Pensionssystem bedeutet, wenn die Lebenserwartung noch weiter ansteigt und Hundertjährige zum Alltag werden. "Wir müssen uns konsequent fragen, was wir angesichts dieser Entwicklung wollen und dürfen", sagte der Bundeskanzler.
Die Biomedizin sei heute nicht nur in der Lage, durch Erforschung der embryonalen Stammzellen die Entstehung menschlichen Lebens vom Beginn her nachzubauen. Sie könne faktisch auch schon einen Jungbrunnen zur Verfügung stellen, in dem erwachsene Stammzellen in ihrer vollen Kraft wiederhergestellt werden könnten. "Das heißt, daß wir dem Ende der Transplantationsmedizin entgegen sehen und eine sehr reale Möglichkeit haben werden, kranke menschliche Organe durch Stammzellentherapie von innen her nachwachsen zu lassen", erklärte der Bundeskanzler.
"Was wir brauchen, ist gesichertes Wissen und die Klugheit, damit auch richtig umzugehen: Wir müssen uns rasch und intensiv mit den Auswirkungen der Biomedizin auseinandersetzen", deren Kapazität durch die Verbindung mit der Informationstechnologie geradezu explodiert sei. Jede wissenschaftliche Grenzverschiebung werfe auch "die ethische Frage nach den Grenzen des Dürfens und des Verantwortens auf". Dazu brauche man die besten Köpfe, vor allem aber auch den Mut, sich diesen wichtigen und unangenehmen Fragen zu stellen, schloß der Bundeskanzler.

Quelle: Pressedienst der ÖVP

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