Zum 90. Todestag des Thronfolgers:
                      Schwerpunkt: Schloß Artstetten

 

erstellt am
01. 06. 04

Franz Ferdinand Erzherzog
von Österreich-Este

Die Geschichte eines Mannes, der Kaiser von Österreich hätte werden sollen.
Er fiel aber vor 90 Jahren, am 28. Juni 1914, einem Attentat zum Opfer.
Seine Urenkelin, Fürstin Anita von Hohenberg, hat zu seinem Gedenken auf
Schloß Artstetten ein liebevoll gestaltetes Museum eingerichtet.

Von Christa Mössmer.

Teil 1



Foto: Österreich Journal

An einem der ersten, schönen Frühlingstage kommen wir zum ersten Mal nach Artstetten. Wir reisen vom Wiener Westbahnhof aus mit einem Regionalzug an, da wir die Fahrzeit in der Bahn gerne zur Vorbereitung auf unser Reiseziel verwenden. Außerdem hat man doch mehr von der Landschaft, die da an einem vorüberzieht.

In der geschichtsträchtigen Nibelungenstadt Pöchlarn an der Donau verlassen wir den Zug. Apropos geschichtsträchtig: Wir befinden uns hier praktisch an der Keimzelle Österreichs –


Foto: Österreich Journal
Anfang und Ende dieses ehemals so angesehenen Reiches laufen hier, nach beinahe 1000 Jahren, eng zusammen.

Der Autobus, in den wir in Pöchlarn umgestiegen sind, kämpft sich langsam die steile Straße hinauf. Der Fahrer erzählt uns, daß er im Winter oft vier bis fünf Mal Ketten anlegen muß. Als wir den Berghang erklommen haben, bietet sich eine weite, eine leicht ansteigende Hochebene, wenig später auch schon der erste Blick auf das romantisch am Waldrand gelegene Schloß Artstetten.

Mit einigen Schulkindern gemeinsam verlassen wir den Bus an der einzigen Haltestelle in Artstetten. Dann kehrt Ruhe ein. Nur ab und zu fährt ein Auto vorbei, dann wieder ländliche Stille. Der Duft von frisch gemähtem Gras begleitet uns durch die enge Hauptstraße des kleinen Ortes, der seit jeher eng mit den Geschicken des Schlosses und dessen Herrschaft verbunden ist. Es geht nun ein kleines Stück ziemlich bergauf, weshalb eine riesige, Jahrhunderte alte Blutbuche – praktisch von unten gesehen – noch viel mächtiger und wie ein unüberwindbarer Wächter des Schlosses wirkt. Dahinter öffnet sich dem Besucher der gepflegte Schloßpark.


Im Stadtpalais am Ende dieser Straße ist Franz Ferdinand geboren worden. Heute befindet sich dort das stadtMuseum Graz, das uns dieses Bild zur Verfügung gestellt hat.
Flieder und Rosen, uralte Kastanienbäume geleiten uns zum Schloß.

Der Haupttrakt ist von vier Türmen mit Zwiebeldächern begrenzt, ein kleiner viereckiger Vorbau mit zwei Rundtürmen umschließt einen Ende vergangenen Jahrhunderts mit Plexiglas überdachten Innenhof. Der siebente Turm gehört zur angrenzenden Kirche. Eine Urkunde datiert den Ursprung des Bauwerkes ins 13. Jahrhundert, obwohl man davon ausgeht, daß die Familie der „Artstetter“ hier schon wesentlich früher gelebt hat. Nach einigen Besitzerwechseln gelangt das nunmehr als Schloß ausgestaltete Anwesen 1823 in den Besitz der Familie Habsburg-Lothringen, knapp 40 Jahre später gehört es Erzherzog Carl Ludwig, dem Vater von Franz Ferdinand von Österreich-Este und späteren Thronfolger. Letzterem zu Gedenken entschloß sich Anita Fürstin von Hohenberg, sie ist seine Urenkelin, im Jahre 1983 unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Wladimir Aichelburg das „Erzherzog Franz Ferdinand Museum“ zu gründen. Man wollte natürlich diese sicherlich nicht gerade einfache Aufgabe möglichst professionell – und doch für den Besucher möglichst „leicht verdaulich“ – meistern. Mit der Dauerausstellung unter dem Titel „Von


Foto: Österreich Journal
Mayerling bis Sarajevo“ (heute: „Für Herz und Krone“) wurden der Öffentlichkeit 20 Räume des ansonsten privat genutzten Schlosses zugänglich gemacht. Und jeder Raum schildert das persönliche Schicksal des Thronfolgers mit all den Höhen und Tiefen. Alljährlich werden Exponate der Ausstellung gegen andere noch nicht oder selten gezeigte aus den umfangreichen Lagern und Archiven der fürstlichen Familie ausgetauscht. Fürstin von Hohenberg will die Besucher ihres Museums an der historischen Vielfalt teilhaben lassen. So kann man heuer, zum Beispiel, unter anderem den Toillettetisch der Herzogin Sophie oder den Kinderwagen deren Tochter Sophie sehen. Wechselnde Schwerpunktthemen arbeiten jeweils einen Aspekt im Leben des Thronfolgers bzw. seiner Familie besonders heraus, so ist zum Beispiel die Aufarbeitung der – auch für diese Familie – besonders schweren Zeit des Nationalsozialismus geplant. Die Söhne Franz Ferdinands, Ernst und Max, waren unter unvorstellbaren Bedingungen in Konzentrationslagern interniert.

   

Doch es gibt viel Erfreuliches zu sehen, wie die jährlichen Sonderausstellungen. Die heurige steht unter dem Motto „Was kreucht und fleucht“ und zeigt Bilder des luxemburgischen Malers


Die Söhne von Erzherzog Carl Ludwig: sitzend Franz Ferdinand, knieend Otto, im hellen Kleid der Jüngste, Ferdinand

Foto: Erzherzog Franz Ferdinand Museum
Michel Heintz im Schloß-Café. Ganz begeistert berichtet man auch vom jährlichen Kinder- und Familienfest, das erst Mitte Mai wieder stattgefunden hat. Seine Durchlaucht, „Fürst Teddy von Artstetten“, er ist 100 Jahre alt und war der Lieblingsbär der Kinder von Erzherzog Franz Ferdinand, lud zu einem Nachmittag mit Kasperl und Strolchi, Spiel und Spaß!

Erzherzog Carl Ludwig, Bruder von Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, hatte mit seiner Frau Maria Annunziata von Neapel-Sizilien vier Kinder. Die Söhne Otto und Franz Ferdinand wurden in Graz geboren, wo die Familie in einem Palais in der Sackstraße lebte (heute befindet sich dort das stadtMuseum Graz). Ferdinand, der dritte Sohn, kam im Wiener Palais der Familie in der Favoritenstraße und Tochter Margarethe auf Schloß Artstetten zur Welt.

Wir wollen uns nun aber dem Leben Franz Ferdinands


Franz Ferdinand, Erzherzogin Maria Theresia und Gattin Sophie mit den Kindern Sophie, Max und Ernst

Foto: Erzherzog Franz Ferdinand Museum
zuwenden, der am 18. Dezember 1863, wie eben erwähnt, in Graz geboren wurde. Von einem Heer von Erziehern und Lehrern ausgebildet in allen klassischen Fächern und Fremdsprachen wie Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch, verlief seine Kindheit für einen Knaben seiner hohen Abstammung „normal“. Der erste Schicksalsschlag ereilte den damals gerade erst Achtjährigen, als seine Mutter einer Lungenkrankheit erliegt. Zwei Jahre später heiratete sein Vater zum dritten Mal und und die vier Kinder fanden in der, wie es überall heißt, „herzensguten Frau“ Maria Theresia von Braganza eine liebevolle Stiefmutter. Dieser Ehe entstammen noch zwei Töchter, Maria Annunziata und Elisabeth Amalia.

Nach seiner allgemeinen schulischen Ausbildung schlug Franz Ferdinand die ihm vorgegebene militärische Laufbahn eines Prinzen aus dem Hause Habsburg-Lothringen ein. Als noch nicht ganz 14jähriger schreibt er seiner heißgeliebten Stiefmutter Maria Theresia in einem Brief: „… so bin ich Leutnant geworden im Regiment, ein


Der stolze Vater Erzherzog Carl Ludwig mit dem ältesten Sohn Erzherzog Franz Ferdinand in Leutnantsuniform und dem ihm eben erste verliehenen Orden vom Goldenen Vlies, 1878

Foto: Erzherzog Franz Ferdinand Museum
ungarisches, hat das Nro 32, himmelblaue Aufschläge und gelbe Knöpfe. Es rekrutiert sich aus Buda-Pest und der Stab liegt in Zara. Es ist schon alles bestellt Uniform, Mantel, Csakó, Handschuh, Cravatten, Kuppel, Säbel etc. Jetzt wo ich Dir schreibe, habe ich lange Hosen an. …“. Und das spiegelt bescheidenen Stolz des jungen Mannes wider, war es doch üblich, als Knabe ausschließlich Hosen mit Kniestrümpfen zu tragen. Die lange Hose war also Zeichen dafür, daß die Kindheit abgeschlossen und der Träger erwachsen geworden war. Leutnant gerade dieses Regiments ist er geworden, weil er zwei Jahre zuvor das Erbe des Herzogs Franz V. von Modena angetreten hat, der Inhaber dieses Regiments war und diesem auch seinen Namen gab: „Este“. Es war der ausdrückliche Wunsch des verstorbenen Herzogs, daß Franz Ferdinand seinen Namen tragen sollte, Franz Ferdinand war nun „Erzherzog von Österreich-Este“.

Im Alter von 20 Jahren beginnt dann in Enns die wirkliche Militärzeit für Erzherzog Franz Ferdinand, die ihn später nach Prag, dann nach Ödenburg/Sopron führt. Ende 1892 tritt er eine große Weltreise an, die ihn über den Suezkanal nach Ceylon führte, von hier nach Bombay, übers Land nach Kalkutta, von dort nach Singapur und weiter nach Australien, China und Japan. Von dort aus überquerte er den Pazifischen Ozean an Bord eines Liniendampfers und setzte seine Reise über Vancouver nach New York fort, von wo er über den Atlantik nach Europa zurückkehrte. Am 18. Oktober 1893 traf er wieder in Wien ein.
     

Teil 1 Teil 2 Teil 3
Hören Sie hier unseren 7 Minuten-Radiobeitrag

http://www.schloss-artstetten.at

zurück