Theater zu Hause  

erstellt am
23. 12. 08

Es war einmal eine Zeit, da pflegte man noch Hausmusik auf wirklichen Instrumenten und spielte in den eigenen vier Wänden Papiertheater. Der Wiener Ulrich Chmel hat sich der Erhaltung dieser alten Tradition angenommen.
     
Verlage in ganz Europa schickten ihre Zeichner in die Opernhäuser und Theater mit dem Auftrag, die Kulissen und Kostüme der Theaterstücke, Opern und Märchen zu zeichnen. Aus diesen Vorlagen wurden Ausschneidebögen gestaltet, gedruckt und verlegt. Die konnte man damals im nächsten Papiergeschäft samt Texten in Kurzfassungen zu den Stücken kaufen. Mit einem Wort: Die Familie war im Biedermeier in der Lage,


Ulrich Chmel mit seinem Papiertheater und der Bühne zu »Lohengrin für Eilige«

Fotos: Österreich Journal
 
zu Hause kleine Theaterbühnen nach Anleitung zu bauen und Theaterstücke nachzuspielen. Alle waren beschäftigt, galt es doch, die Figuren und Kulissen auf Karton oder dünnes Sperrholz zu kleben und auszuschneiden oder auszusägen. Begabte zeichneten aber auch Figuren selbst und verfaßten auch Texte zu den Stücken, die sie spielen wollten. Man hauchte leblosem Papier Leben ein. Viele, die diese Zeilen lesen, werden sich vielleicht auch noch daran erinnern können, wie Schellack-Platten für die Musik sorgten, während Eltern oder Großeltern die Figuren von Fidelio und Florestan oder die vielen Brautjungfern aus dem Freischütz auf der kleinen Bühne hin und her bewegten. Das Papiertheater war schließlich über Jahrzehnte Kulturvermittler an den Nachwuchs, der so die Inhalte einiger Bühnenklassiker aufnahm.

Die Veränderungen des Alltagslebens und der Gesellschaft führten dazu, daß das Papiertheater in Vergessenheit geriet, von modernerer Unterhaltung wie Radio und in weiterer Folge vom Fernsehen abgelöst wurde. Doch gänzlich in Vergessenheit ist es nicht geraten, diese romantische Spielform, für die man kein großes Ensemble, ja nicht einmal großen Aufwand zu treiben braucht. Heute kann man sogar Nachdrucke der alten Ausschneidebögen kaufen. Da und dort flackert in Europa noch immer das „Flämmchen“ des Papiertheaters, zum Beispiel gibt es alle Jahre wieder ein Treffen in Preetz, einer Stadt in der Nähe von Kiel (BRD), zu dem Papiertheaterspieler aus ganz Europa, ja sogar aus den
 

Ein Blick hinter die Kulissen
USA anreisen, um ihre Kunst zu zeigen (Link am Ende dieses Beitrages).

Einer davon ist der Wiener Karikaturist Urlich Chmel, der sein Papiertheater nun schon seit 2003 bespielt und bereits ein beachtliches Repertoire aufbauen konnte. Zur Zeit können Stücke wie: „Lohengrin für Eilige – in knappen 40 Minuten“, „Struwwelpeter“, „Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“, “Das Weihnachtsspiel“ und „Faust – in Kürze, mit Goethe bestreut“ sowie „Cinderella“ einem interessierten Publikum gezeigt werden.

Ulrich Chmel’s Papiertheater spielt meist im „Café corto & nero“ in Wien 4., Wiedner Hauptstrasse 48. Daneben gab es aber auch schon viele Gastspiele in ganz Österreich, bei den Internationalen Puppentheatertagen in Mistelbach im Oktober 2005 und Oktober 2007 sowie in Bad Gastein und im Salzburger Spielzeugmuseum im Februar 2007. Mit dem „Weihnachtsspiel“ gastierte er bereits mehrmals beim Krippenverein Wien 1. und am Heiligen Abend in den Jahren 2006 und 2007 im Wiener Naturhistorischen Museum. Erstmals im März 2008 wurde Ulrich Chmel mit seinem Papiertheater zum Internationalen Figurentheaterfestival Wels eingeladen. Für die Stücke verwendet Ulrich Chmel alte Vorlagen genauso wie selbst gezeichnete Kulissen und Figuren. „Alles ist erlaubt, was dem Publikum Vergnügen bereitet“, wie er sagt.

Wenngleich üblicherweise öffentlich gespielt wird, bietet Ulrich Chmel’s Papiertheater aber auch an, bei Geburtstagen und lokalen Feierlichkeiten zu spielen, wobei aufgrund der Kleinheit der Bühne eine maximale Zuschaueranzahl von 25 als ideal zu bezeichnen ist. Mit besonderer Freude bietet Ulrich Chmel aber auch Workshops unter dem Titel „Von der Schuhschachtel zum Papiertheater“ an, um Kindern, aber auch Erwachsenen, den Einstieg in das romantische Spiel mit dem Papiertheater zu ermöglichen.
     
http://www.papiertheater.at
http://www.papiertheater.eu
   
     
Diesen Artikel finden Sie auch im "Österreich Journal" pdf-Magazin, Ausgabe 067
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