Josef Plecnik  

erstellt am
14. 07. 06

Architekt in Laibach, Wien und Prag (1872–1957) – »Architektur im Ringturm« zeigt sein Schaffen von 28. Juni bis 8. September 2006
Josef Plecnik realisierte in einer eigenständigen Architektursprache, die vor allem in klassisch-antiken Vorbildern ihre Referenzen suchte, an seinen drei Hauptwirkungsstätten Wien, Prag und Laibach sein bis heute herausragendes Werk. "Architektur im Ringturm"


Krypta der Heilig-Geist-Kirche, Wien 16, Herbststraße, 1910-13         Alle Fotos: Damjan Prelovsek, Laibach/Ljubljana
präsentiert das Schaffen des international hoch geschätzten slowenischen Architekten, das sich stilmäßig einer üblichen Einordnung in die Architekturentwicklung des 20. Jahrhunderts entzieht.

Mit Wien verband Josef (Joze) Plecnik (1872 - 1957) zuerst die durch seinen Grazer Lehrer Theyer vermittelte Arbeit in der Möbelfabrik Müller, wo als Zeichner und Werkmeister oft auch selbständige Entwürfe im Stil des Historismus entstanden. Mit seinen außergewöhnlichen Zeichnungen bewarb er sich bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste zum Architekturstudium, das er mit dem Rompreis 1888 (einjähriges staatliches Reisestipendium) abschloß. Nach der Rückkehr von der Reise arbeitet er fast ein Jahr lang im Atelier Otto Wagners. In dieser Zeit entstanden die unverwechselbar gestalteten Dekors und Stationen für die Stadtbahn (u.a. Gumpendorferstraße, Rossauerlände). Aus seiner ersten freischafffenden Periode zwischen 1900 und 1911 in Wien, sind das Zacherl-Haus, ein Firmengebäude mit sehr eleganten Formen und ausgestaltet mit Marmor und Stahlstiften (1903-1905, Bauernmarkt, Innere Stadt) und die Heilig-Geist-Kirche mit ihrer berühmten Krypta (1910-13, Herbststraße, Wien-Ottakring) die international bekanntesten Werke.

Ersteres ist als größte Bauaufgabe des Fabrikanten Zacherl, (neben der eigenen Villa und Einrichtungen für Familienmitglieder) als Büro- und Wohnhaus entstanden und besticht durch hervorragende Ausführungsdetails, die bis heute nahezu ohne wesentliche Renovierungsarbeiten erhalten sind. Mit der plastischen Fassade in Granitstein und dem einzigartigen bronzenen Figurenschmuck (Bildhauer Engelhardt) ist es auch eines der wenigen großmaßstäblichen Bauwerke des späten Jugendstils in der Wiener Innenstadt.
     
Die Heilig-Geist-Kirche stellt durch die Ausführung in Stahlbeton, der hochwertig händisch bearbeitet, aber doch sichtbar belassen wurde, eines der frühesten Beispiele in dem damals neuen Baumaterial dar. Berühmt ist die Krypta, die Plecnik in einem ausgeklügelten


Herz-Jesu-Kirche Prag, 1928-32
Stahlbetonskelett errichtete. Von Bedeutung sind weiters der Karl- Borromäus-Brunnen in Wien-Landstraße (1906-09), das Miethaus Langer an der Rechten Wienzeile (1901-02) sowie die Villa Langer mit ihrer Jugendstil-Putzfassade (1900-01) und das Haus Weidmann in Wien- Hietzing (1902). Ein weiteres sehr frühes Werk, die Villa für den Notar Loos, befindet sich in Melk an der Donau (1901). 1911 kam Plecnik auf Vermittlung seines Freundes Jan Kotera - ebenso ein Wagnerschüler - nach Prag als Professor an die Kunstgewerbeschule. 1929 beauftragt ihn der tschechoslowakische Präsident Tomas Masaryk, die Prager Burg zum Symbol des neuen Staates zu adaptieren. Diese Aufgabe - als sein Hauptwerk in Prag - beschäftige ihn 15 Jahre.

Vermutlich gab es niemanden anderen im zentraleuropäischen Raum, der so präzise die Symbolik der mythologischen Bedeutung von


Universitätsbibliothek, Laibach, 1936-41
Wiedergeburt und Geschichte verstand, der dank seiner handwerklichen Kenntnis die neuen Materialien perfekt in die steinalte Substanz einfügen konnte und der auf die Aura des Burgviertels und der Kleinseite - vielfach von italienischen Baumeistern geschaffen - mit einer mediterranen Kontemplativität antworten konnte.

Plecnik ist der einzige nicht-tschechische Architekt, der nach 1918 eine national sensible Bauaufgabe übernahm und mit der Herz Jesu-Kirche in den Weinbergen (1928-32) einen der bedeutendsten Sakralbauten des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa errichtete. Der moderne Geist Plecniks offenbart sich dem Besucher im Inneren: über eine Rampe im Corbusierschen Geiste erklimmt man den Kirchturm und blickt durch das gläserne Ziffernblatt über die Altstadt Prags hinweg auf die Burg und das Werk Plecniks.

Von 1921 bis 1956 wirkte er an der Universität seiner Heimatstadt Ljubljana (Laibach) als Lehrer für Architekturentwurf. Parallel dazu baute er seine Tätigkeit als Architekt im Lande. Mit dem damaligen Stadtbaumeister Prelovšek realisierte er viele bedeutende Projekte, die das Stadtbild Laibachs bis heute prägen.

Zu den bekanntesten Arbeiten Plecniks zählen hier die Universitätsbibliothek mit der eindrucksvollen Fassade und einem stimmungsvollen Lesesaal (1936-41), die Markthallen und Ufergestaltungen entlang der Ljublianica (1940-42), Dreibrücken (1930-32), Balustraden und Stege (Schuhmacherbrücke, 1931-32), das "Bügeleisengebäude" (1932-34), das Haus Prelovšek (1931-33), Gestaltungs- bzw. Regulierungsaufgaben für Naturräume und Parks (Kongressplatz, Flußlauf der Ljublianica, Tivoli-Park, Schanzenbastei am Burghügel) sowie der Friedhof in Zale mit seinen vielen Kapellen und dem Betriebsgebäude (1938-40).

Seine Werke im sakralen Bereich sind jedoch noch bedeutender: die Franziskus- Kirche in Laibach (1925-28), die Auferstehungskirche in Bogojina, die Kirche zum Hl. Antonius in Belgrad (1929-32) haben alle eine einzigartige Atmosphäre, die u. a. durch die tiefe eigene Religiosität Plecniks geprägt ist. Die St. Michaels-Kirche in Barje bei Laibach zählt zu seinen interessantesten sakralen Arbeiten. Plecnik verbindet bei diesem Werk aus Holz und Stein in genialer Weiser klassisch-sakrale mit lokaler Bautradition. Das Äußere ähnelt lokalen bäuerlichen Zweckgebäuden, die Innenausstattung erinnert in Farbgebung, Materialwahl und Details an traditionelle slowenische Architektur.

Plecniks Arbeit ist heute international hoch geschätzt; bis zur ersten großen Werkschau in Paris (Centre Georges Pompidou, 1986) war seine Arbeit allerdings international wenig bis gar nicht bekannt; dies rührt vermutlich von der schwer kategorisierbaren Architektursprache, die sich jeder stilistischen Zuordnung entzieht. Aber gerade das macht den Reiz für den Kenner aus.
     
Diesen Artikel finden Sie auch im "Österreich Journal" pdf-Magazin, Ausgabe 038
     
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