Karl Ritter von Czyhlarz - ein Jurist als Politiker

Universitätsprofessor, Herrenhausmitglied, konservativer Liberaler

     
Wien (rk) - Ehe der Parlamentsbesucher den prachtvollen Budgetsaal betritt, begegnet er im Vorraum dem Bild eines bedeutenden österreichischen Juristen: Karl Ritter von Czyhlarz. Der berühmte Professor für römisches Recht an den Universitäten Prag und Wien war 1895 von Kaiser Franz Josef auf Lebenszeit in das Herrenhaus berufen worden und gehörte wiederholt, auch in der Funktion eines Vizepräsidenten, der österreichischen "Delegation" an.

Karl Ritter von Czyhlarz

Dieser besondere Ausschuss hatte seit dem Ausgleich mit Ungarn im Jahr 1867 mit der "Delegation" des ungarischen Parlaments die gemeinsamen Angelegenheiten (Äußeres, Heer und Finanzen) der beiden selbständigen Reichshälften zu verhandeln. Der Platz des von Franz Thiele geschaffenen Porträts erinnert daran, dass die Beratungen der beiden je 60-köpfigen Delegationen in dem von Theophil Hansen als Festsaal gestalteten Raum stattfanden, der als Verhandlungslokal großer Ausschüsse, insbesondere auch des Budgetausschusses, bald die Bezeichnung "Budgetsaal" tragen sollte.

Karl Ritter von Czyhlarz wurde am 17. August 1833 in der nordböhmischen Stadt Lobositz geboren, studierte an der Prager Universität Jus und promovierte 1856. Nach einer weiteren Ausbildung an der "Romanistenschule" der Berliner Universität habilitierte sich Czyhlarz im Jahr 1858 an der Prager Karls-Universität für Römisches Recht. Czyhlarz unterrichtete zunächst an der Theresianischen Akademie in Wien, ab 1863 als außerordentlicher Professor und seit 1869 als Ordinarius für Römisches Recht in Prag. Czyhlarz war dreimal Dekan der juridischen Fakultät und im Jahr 1876 auch Rektor der Prager Karls-Universität. Er galt als Kapazität auf seinem Fachgebiet, wobei die Einführung der quellenkritischen Methode in die Behandlung des Römischen Rechts als seine epochale Leistung angesehen wird.

Sein international anerkanntes "Lehrbuch der Institutionen des römischen Rechts" entwickelte sich rasch zum Standardwerk für Generationen von Jusstudenten. Im Jahr 1892 wurde Karl von Czyhlarz als Ordinarius für Römisches Recht an die Wiener Universität berufen und hatte auch hier in den Jahren 1894/95 das Amt des Dekans der juridischen Fakultät inne. 1898 wurde Czyhlarz Mitglied des k.k. Reichsgerichtes und damit einer der höchsten Richter im Staate. Als ständiger Referent spielte er auch in dieser Institution eine herausragende Rolle.

Ähnlich wie seine berühmten Fachkollegen Friedrich Carl von Savigny, Theodor Mommsen und Vittorio Scialoja führte die enge Verflechtung des römischen Privatrechts mit dem öffentlichen Recht auch Karl von Czyhlarz zur Beschäftigung mit staatsrechtlichen Problemen und weiter in die praktische Politik. Schon im Jahr 1866 war Czyhlarz von seiner Heimatstadt Lobositzin den böhmischen Landtag gewählt worden, wo er als Abgeordneter der Deutschen Fortschrittspartei bis 1886 tätig war und überdies Funktionen im Landesausschuss (entsprach etwa einer Landesregierung) und im Landesschulrat ausübte. Czyhlarz war ein entschiedener Vertreter der Deutschböhmen, der seinen fachlichen Schwerpunkt in der Kulturpolitik hatte und Mitbegründer sowie erster Präsident der einflussreichen "Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen" war.

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Im Jahr 1895 wurde der berühmte Universitätsprofessor, der auch in Wien als Dekan der juridischen Fakultät fungierte, von Kaiser Franz Josef auf Lebenszeit zum Mitglied des Herrenhauses ernannt. Dort schloss sich Czyhlarz der Verfassungspartei an, war Vorsitzender der juridischen Kommission (Justizausschuss) und nahm auch in zahlreichen anderen Ausschüssen lebhaft Anteil an der Arbeit des Herrenhauses sowie der Delegationen, wo er auch zum Vizepräsidenten gewählt wurde.

Karl von Czyhlarz vereinigte in einer für das alte Österreich typischen Weise kulturellen Liberalismus mit einer konservativen Staatsgesinnung. So charakterisierte die "Neue Freie Presse" Czyhlarz als einen Mann, der "ungern die Sicherheit des Bestehenden mit bloßen Aussichten auf eine möglicherweise bessere Zukunftsentwicklung vertauscht". Das Bestehende war für Karl von Czyhlarz vor allem auch das alte Österreichs, dessen inneren Zusammenhalt er durch nationale und soziale Gegensätze gefährdet sah. Aus diesem Grund stand Czyhlarz der Einführung des allgemeinen Wahlrechts kritisch gegenüber und warnte im Jahr 1906 vor der für ihn trügerischen Hoffnung, "im Ausbau des Verfassungslebens ein Allheilmittel für den kranken österreichischen Parlamentarismus zu sehen".

Den Untergang des Habsburgerreiches erlebte Karl von Czyhlarz nicht mehr - er starb wenige Monate nach seinem achtzigsten Geburtstag in der Nacht des 21. Juli 1914 - exakt zu der Stunde, als das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien in der k.u.k Gesandtschaft in Belgrad einlangte. - Ein Denkmal setzte die Universität Wien dem bedeutenden Juristen Karl von Czyhlarz in ihrer Ehrenhalle im Jahr 1927.

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