Vom göttlichen Ursprung der Landwirtschaft
Die Reliefs Ackerbau und Viehzucht am Herrenhaus in der Wiener Reichsratstraße

     
Die Reliefs und Figuren des letzten Quadrigensockels des Herrenhauses sind dem Thema Ackerbau und Viehzucht gewidmet. Sie hätten auch dem Giebel "Ministerium des Ackerbaus" zugeordnet werden sollen, dieser wurde jedoch nicht ausgeführt. Mit der künstlerischen Ausgestaltung dieses Themenkreises wird die Wichtigkeit der Landwirtschaft für die Gesamtwirtschaft der Monarchie unterstrichen.

Noch auf der Reichsratsstraße sind die Statuen des antiken Jägers Meleager und des Triptolemus zu erkennen. Meleager wurde berühmt, da er den kalydonischen Eber erlegte, König Triptolemus wieder wurde von Demeter die Kunst des Ackerbaus gelehrt, damit er diese an sein Volk weitergebe. Beide flankieren das Relief Ackerbau. Neben Triptolemus steht die Figur des Hirten Daphnis, der bereits der Mittelachse des Parlamentsgebäudes zugewandt ist und daher von der Straßenseite nicht zu sehen ist. Neben ihm befindet sich das Relief Viehzucht. Die Gesamtthematik wird durch die Statue des Licinius Stolo abgerundet und erhält durch ihn auch eine besondere politische Bedeutung, da Stolo durch sein Wirken als Volkstribun für die Plebejer den Weg zur politischen Gleichberechtigung bereitete und vor allem auch die Bauern durch Schuldentilgung und Landreform vor Verelendung rettete.


Die Reliefs "Ackerbau" und "Viehzucht"

Das Relief "Ackerbau" von Hugo Härdtl, vom Haus vis à vis in der Reichsratstraße sichtbar, erinnert an jenen Teil des Demeter-Mythos,
in dem die Göttin den Menschen den Ackerbau schenkt. Die Szene zeigt in der Mitte des Reliefs Demeter, die Göttin des Ackerbaus, mit einem Ährenbündel in der Hand und einem Ährenkranz auf dem Haupt. Sie stützt sich auf ihre Tochter Persephone. Die männlichen Gestalten neben Demeter, ein junger Mann mit Pflug, zwei weitere mit Schaufel ausgerüstet, verkörpern den Bauernstand. Die Göttin scheint sie in der Fertigkeit des Ackerbaus zu unterweisen. Links von den Frauen ist der vollbärtige Gott der Unterwelt und Gatte der Persephone, Hades, dargestellt. Kraftvoll und bedeutungsreich trägt er Sense und Füllhorn, das Symbol des Wohlstandes. Neben ihm kauert beinahe ehrfürchtig Triptolemos, der in der Mythologie als Bote Demeters die Kunst des Ackerbaus den Menschen brachte. Er hält eine Ährengarbe in seinen Händen.

Das Relief "Viehzucht", ebenfalls von Hugo Härdtl geschaffen, kann nur mehr vom Dach der Mittelachse des Parlamentsgebäudes aus betrachtet werden, da es dieser zugewandt ist. Die Szene wird vom Hirtengott Pan zentral beherrscht. Man erkennt ihn durch die Hörner am Kopf sowie durch die Kombination von menschlichem Oberkörper und vom Unterkörper eines Ziegenbocks. Als weitere Attribute sind ihm Hirtenstab und Musikinstrumente beigegeben. An seiner linken Seite hält eine weibliche Person ein Schaf fest, rechts von ihm scheint ein Mann einen Widder an den Hörnern zurückzuhalten, der es offensichtlich auf die Schafe abgesehen hat. Das Relief soll verdeutlichen, dass Mann und Frau gemeinschaftliche die Viehzucht unter der Ägide des Hirtengottes Pan bewerkstelligen.
   

Der Held Meleager rettet die Äcker vor einem Ungeheuer

Meleager war in der griechischen Mythologie der Sohn der Althäa und des Königs Oeneus von Kalydon in Ätolien. Manche Quellen nennen den
Kriegsgott Ares als Vater des Meleager. Sieben Tage nach seiner Geburt seien drei Schicksalsgöttinnen an der Wiege des Königssohnes erschienen. Klotho sagte ihm Großmut und Lachesis Tapferkeit voraus. Atropos prophezeite Meleager, er werde so lange leben, als das Holz im Zimmerofen brenne. Meleagers Mutter Althäa nahm daraufhin das Scheit aus dem Feuer und verschloss es in einem Kasten.

Der Spruch der Schicksalsgöttinnen erfüllte sich zunächst insofern, als Meleager ein tüchtiger Held wurde. Schon in jungen Jahren begleitete er Jason, Laokoon, Herakles und die Argonauten bei ihrer Suche nach dem Goldenen Vlies nach Kolchis und galt bald als bester Schütze mit dem Wurfspieß.

Nach seiner Rückkehr ins heimatliche Kalydon versammelte Meleager viele Helden, um ein Riesenschwein unschädlich zu machen, das im Land seines Vaters wütete und den Ackerbau gefährdete. Das Untier - laut Mythos groß wie ein Ochse, mit Zähnen wie ein Elefant - hatte die zornige Jagdgöttin Artemis dem König von Kalydon zur Strafe geschickt, weil Oeneus bei einem Fest vergessen hatte, der Göttin zu opfern. Nach einem langen Jagdzug mit vielen gefährlichen Abenteuern versetzte Meleager dem Ungeheuer den tödlichen Stoß. Die ihm zustehende Trophäe, die Haut des Riesenschweins, schenkte Meleager großmütig der Atalanta, weil sie die erste war, die das Untier verletzt hatte. Das missfiel den eifersüchtigen Onkeln des Meleager, Ideus, Lynkeus und Plerippus, sie nahmen Atalanta die Haut ab, woraufhin Meleager die drei Brüder seiner Mutter tötete.

Als Althäa von der Tat ihres Sohnes hörte, warf sie das nach seiner Geburt gerettete Holz ins Feuer, woraufhin Meleager starb. Nach anderen Variationen des Mythos verfluchte sie ihn oder verbrannte eine ihn darstellende Wachspuppe. Jedenfalls erhängte oder erstach sich Althäa später aus Gram über den von ihr verschuldeten Tod ihres Sohnes. Auch Meleagers Gattin Kleopatra wollte ihren Mann nicht überleben und erhängte sich. Das Leid der untröstlichen Geschwister des Meleager habe Artemis so gerührt, dass die Göttin sie in Vögel verwandelt und in alle Himmelsrichtungen habe fortfliegen lassen, heißt es in der antiken Mythologie.

Die Statue des antiken Helden und Jäger Meleager, stammt von Edmund Hoffmann von Aspernburg, der sich bei seinem Werk an einem Vorbild des berühmten griechischen Bildhauers Skopas aus dem Jahr 340 orientierte. Hinter ihm sieht man eine Stütze in Form eines Eberkopfes.


Triptolemos lehrt die Menschen im Auftrag der Demeter den Ackerbau

Triptolemos galt in der antiken Mythologie als jener König von Eleusis, den die Königin Demeter als Jüngling in der Kunst des Getreidebaus unterwies und ihm einen von zwei Drachen gezogenen Wagen schenkte, mit dem er durch die Welt fahren und die Menschen das Pflügen und Säen lehrten sollte. Aus Dankbarkeit für diese wertvolle Gabe stiftete Triptolemos die Mysterien von Eleusis, in denen der Demeter-Persephone-Mythos dargestellt wurde. In Athen, zu dessen Vorort das einst selbständige Eleusis in geschichtlicher Zeit wurde, spielte dieses Fest eine bedeutende Rolle, unter anderem gilt es als eine der Wurzeln der attischen Tragödie.

Triptolemos soll der Göttin Demeter am Hofe seines Vaters begegnet sein, an dem sie auf der verzweifelten Suche nach ihrer von Hades in die Unterwelt entführten Tochter Persephone Station machte. Auf seinen Fahrten zur Verbreitung des Getreidebaus genoss Triptolemos den Schutz der Demeter gegen mächtigen Feinde, unter anderem gegen Lynkus, den König der Skythen, und gegen den Getenkönig Karnabon, dem es sogar gelang, einen seiner Drachen zu töten. In die Heimat zurückgekehrt, bearbeitete Triptolemos die Rharischen Felder in der Nähe von Eleusis mit dem ersten Pflug und säte das Getreide aus, das er von Demeter bekommen hatte. Attika, das Umland Athens, soll Triptolemos im Auftrag des ägyptischen Gottes Osiris kultiviert haben.

Die Statue des Triptolemos stammt von dem Bildhauer Karl Sterrer und entspricht in seiner Form antiken Jugendbildnissen von Göttern und Heroen. In einer Hand hält er eine Frucht in der anderen hielt er ursprünglich eine Sichel. Zusätzlich ist die gebogene Halterung eines Pfluges erkennbar.



Der Hirte Daphnis will der Liebe widerstehen

Daphnis galt den Griechen als Erfinder der Bukolik, des Hirtengesangs. Ohne Daphnis, dem jungen Rinderhirten in der griechischen Sage, ist die Hirtendichtung
nicht vorstellbar, welche in den 10 Eklogen des Vergil und in den Idyllen des Theokrit zur meisterlichen Blüte gebracht wurde. Der wohl schönste Liebesroman der alten Welt handelt ebenfalls von einem schönen Knaben namens Daphnis und dessen Liebe zur lieblich-naiven Chloe. Nach einigen Wirren lässt Longos, der Dichter des Romans, die beiden mit Hilfe des Gottes Pan sowie von Nymphen ein beglückendes Leben zu zweit in der unberührten Natur führen. Durch die Beliebtheit des Schäferspiels im 17. und 18. Jahrhunderts fand diese Kunstgattung auch in späterer Zeit weite Verbreitung.

Der Hirte Daphnis, der am Parlamentsgebäude dargestellt ist, hat jedoch eine tragische Geschichte zu erzählen. Als er nämlich einer Nymphe die Treue brach, blendete ihn diese und er stürzte schließlich von einem Felsen in den Tod. Ovid nennt die Geschichte "abgedroschen", weshalb er sie in seinen Metamorphosen nur streifte.

Laut griechischer Erzählung war Daphnis der Sohn einer Nymphe und des Hermes. Er wuchs bei Waldnymphen auf und soll den Schutz der Götter Apollon, Artemis und Pan genossen haben. Wie die Sage erzählt, hat sich Daphnis damit gebrüstet, den Verlockungen der Liebe widerstehen zu wollen, was von den Liebesgöttern Eros und Aphrodite als ein unverzeihlicher Affront empfunden wurde. Dementsprechend rächten sie sich, indem sie Daphnis in Liebe zur Nymphe Nais oder Echenais entbrennen ließen. Nais ging diese Verbindung aber nur ein, nachdem ihr Daphnis ewige Treue geschworen und versprochen hatte, nie eine andere lieben zu wollen. Dies rief jedoch Xenia auf den Plan, die ihrerseits Daphnis liebte und, um das Band zwischen ihm und Nais zu durchtrennen, den Jüngling betrunken machte und diesen so in ihr Bett lockte.

Nachdem Nais von dieser Treulosigkeit erfahren hatte, schlug sie ihn mit Blindheit. Er tröstete sich damit, indem er den Hirten sein Unglück zur Musik der Syrinx, der Panflöte, vortrug. Schließlich stürzte er in den Fluss Anapos. Niemand half dem Ertrinkenden, da die Nymphen ihm den Bruch seines Gelübdes, das er einst Nais gegeben hatte, nachtrugen.

Die Statue auf dem Quadrigensockel stammt von Karl Schwerzek. Daphnis wird mit einem Hirtenhund dargestellt. Auf seinem Kopf trägt er einen tellerförmigen Hut. Tief in Gedanken versunken, blickt er auf seine Flöte, die er in der Hand hält.  
   

Licinius Stolo, der antike Bauernbefreier

Die Darstellung des Gaius Licinius Stolo, Volkstribun von 376 bis 367 und Konsul von 364 bis 362 v. Chr., rundet die Thematik von Ackerbau und Viehzucht ab. Gemeinsam mit Lucius Sextius brachte er die drei licinisch-sextischen Gesetze ein, die nach hartem Kampf mit dem Senat durchgebracht werden konnten und für die Plebejer ein größere Gleichstellung mit den Patriziern brachte.

Damit wurde auch das Ende des Ständekampfes eingeläutet, dessen Wurzeln in der Königszeit des römischen Staates lagen. In dieser Zeit begannen sich zwei Gruppen innerhalb der römischen Gesellschaft herauszubilden, die Plebejer, hauptsächlich Bauern, Handwerker und Kaufleute, und die Patrizier. Nach dem Sturz der Monarchie gelang es den Patriziern, die Republik voll unter ihre Kontrolle zu bringen. Die höchsten Ämter durften nur aus ihren Reihen bekleidet werden, sie beherrschten auch die Heeresversammlung und den Senat.

Der Staat war aber auch auf die Wirtschaftsleistung und auf den Heeresdienst der Plebejer angewiesen. Vor allem der Dienst im Heer, der die Männer auf Grund der zahlreichen Kriege lang von ihrer Heimat fernhielt, brachte große soziale Probleme mit sich, da sie in dieser Zeit ihre Äcker nicht bestellen konnten und somit immer mehr in Armut und Schuldknechtschaft gerieten. Hinzu kam, dass das eroberte Ackerland zu Staatsland erklärt und dieses von den Patriziern kostengünstig mit Hilfe der Sklaven bewirtschaftet wurde, wodurch viele Kleinbauern in den Ruin getrieben wurden.

Die Plebejer kämpften daher nicht nur für mehr politische Rechte, sondern in erster Linie für Schuldenerlasse und eine Änderung des Schuldrechts. Im Bewusstsein ihrer Unentbehrlichkeit für den Gesamtstaat schlossen sie sich zusammen und setzten als Waffe in ihrem Kampf die Auswanderung aus Rom ein, um eine eigenen Stadt zu gründen (erstmals 494 v. Chr.). Nach langen Verhandlungen, in denen die Patrizier die allen Lateinschülerinnen und -schülern bekannte Fabel vom Bauch und den Körperteilen erzählt haben (siehe dazu PK Nr. 420 vom 10. Juni 2002), konnte ein Kompromiss erzielt werden, der den Plebejern die Rückkehr ermöglichte. Es wurde ihnen erlaubt, eine Volksversammlung zu gründen und aus dieser - zunächst zwei, später aber zehn - Volkstribunen zu wählen, die die Plebejer vertreten sollten. Diese waren auch unverletzlich, womit der Schutz gegen Angriffe seitens der Patrizier gegeben war.

Ein weiterer wesentlicher Schritt im Ständekampf war die schriftliche Festlegung des Rechts, die Schaffung des Zwölftafelgesetzes (451 v. Chr.), womit die rechtliche Gleichstellung von Patriziern und Plebejern erreicht wurde und willkürliche Handhabung von Gesetzen verhindert werden sollte. Auch die Möglichkeit, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen, stammt aus dieser Zeit.

Nach der Katastrophe von 387 v. Chr., als gallische Stämme Rom erobert hatten, nahm die Verarmung vor allem unter den Kleinbauern massiv zu. Q. Manlius, der Retter des Kapitols, erkannte die Gefahr für den Staat und unterstützte die Forderung der Volkstribunen nach Schuldentilgung und Neuverteilung des Staatslandes. Der Senat jedoch stellte sich vehement dagegen, Manlius wurde wegen Hochverrats angeklagt und schließlich zum Tod verurteilt.

Die Entwicklung war dennoch nicht mehr aufzuhalten, zumal es den Plebejern gelang, fest zusammenzuhalten, auch wenn einige ihrer Angehörigen, vor allem Händler, in der Zwischenzeit zu bedeutendem Vermögen gekommen waren und einige höchste Ämter beim Militär bekleideten. Der Druck auf die Patrizier wurde daher größer. 376 v. Chr. griffen die beiden aus vornehmen plebejischen Familien stammenden Volkstribunen Licinius Stolo und Lucius Sextius die Forderungen wieder auf und begannen einen erbitterten Kampf mit dem Senat, was Rom mehrmals an den Rand eines Bürgerkriegs brachte. Sie setzten sich aber letztendlich durch und im Jahr 367 v. Chr. traten drei wesentliche Gesetze, die Leges Liciniae, in Kraft, wodurch die römische Republik verändert wurde:

Das erste Gesetz brachte die Neuverteilung des Staatslandes. Durch die Festsetzung einer Höchstgrenze für den Erwerb von Staatsland - kein römischer Bürger durfte mehr als 500 iugera (Joch) Land besitzen - konnte Land unter die Kleinbauern verteilt werden, was zu einer wesentlichen Milderung der sozialen Probleme beitrug. Das zweite Gesetz besagte, dass die bisher geleisteten Zinsen vom Kapital abgezogen werden müssen, wodurch die meisten Schulden erloschen waren. Eine Änderung des Schuldenrechts an sich brachte dieses Gesetz jedoch nicht. Schließlich wurde bestimmt, dass von nun an ein Konsul immer Plebejer sein musste. Sextius wurde danach der erste plebejische Konsul.

Wie uns Livius berichtet (Liv. 6, 37, 2-7), wurde der dritte Gesetzesantrag damit begründet, dass die Väter weder den Erweiterungen des Landbesitzes noch der Unterdrückung des Volkes durch Wucher eine Grenze setzen würden, wenn nicht die Plebejer den einen Konsul als Hüter ihrer Freiheit aus ihrer Mitte ernannt hätten. "Gleiches Recht sei unmöglich, wo der eine Teil die Herrschaft, der andere nur die Hilfeleistung besitze. Nur durch Teilnahme an der Gewalt würden die Plebejer gleichen Anteil am Gemeinwesen haben..."

Der Ständekampf fand schließlich 287 v. Chr. sein Ende, als die Beschlüsse der plebejischen Volksversammlung Gesetzeskraft für das ganze Volk erhielten. Im Jahr 326 v. Chr. war es gelungen, die Schuldknechtschaft abzuschaffen und um 300 v. Chr. waren endlich auch religiöse Ämter für die Plebejer offen.

Die Statue des Licinius Stolo am Parlamentsgebäude wurde von Karl Sterrer ausgeführt. Bekleidet mit einer Toga, hält er eine Schriftrolle, das typische Attribut römischer Beamter, in der Hand. In den Haaren trägt er eine diademartige Binde.
     
Quelle: Österreichisches Parlament / Parlamentskorrespondenz    
 
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