Der tödliche Unfall im Tiergarten Schönbrunn

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Am Dienstag, den 5. März 2002 ereignete sich im Tiergarten Schönbrunn um 14.10 Uhr ein tödlicher Arbeitsunfall: Die Tierpflegerin Sabine Janiba, geb.16. Jänner 1981, wurde beim Auslegen der Futterstücke in der Innenanlage der Jaguare von den Tieren angefallen und dabei tödlich verletzt.

Sabine begann in Schönbrunn am 1.September 1996 ihre Lehre als Tierpflegerin, die sie 1999 mit Auszeichnung abschloss. Seither arbeitete sie im Grosskatzen-Revier. Sabine liebte die Tiere über alles und wurde wegen ihres offenen und heiteren Wesens von ihren Kollegen sehr geschätzt. Sie galt als besonders engagiert und zuverlässig.

Ihr Tod war ein tiefer Schock für alle Mitarbeiter des Tiergartens, die beim Begräbnis in Perchtoldsdorf am 20. März 2002 geschlossen von ihr Abschied nahmen.

Der Unfallhergang
Über den genauen Unfallhergang gibt es nach den Ermittlungen der Polizei unterschiedliche Aussagen, die sich jedoch in einem Punkt decken: Als Sabine die Innenanlage der Jaguare betrat, war der Schuber zu den inneren Absperrboxen offen - die Tiere konnten daher ebenfalls in die Anlage gelangen und es kam zu der tödlichen Attacke. Von Augenzeugen informiert, war Direktor Dr. Helmut Pechlaner der erste am Unfallort. Er alarmierte telefonisch weitere Mitarbeiter.

Mehrere Kollegen trafen zeitgleich im Katzenhaus ein, von denen einige die Besucher aus dem Haus drängten, während zwei von ihnen gemeinsam mit Dr. Pechlaner die versperrte Tür vom Besuchergang in den Pflegerbereich öffneten und diesen betraten, um der angegriffen Pflegerin zu Hilfe zu kommen. Dabei wurden sie von einem bisher unbekannten Mann, wahrscheinlich einem Besucher, unterstützt. Beim Schließen der noch offen stehenden Tür zwischen Pflegerbereich und Innenanlage wurde Dr. Pechlaner von Prankenhieben eines Jaguars an der linken Hand verletzt.

Die Tiere konnten mit Hilfe eines Wasserstrahls und zuletzt auch durch einen Schuss von der Pflegerin abgedrängt und schließlich weggesperrt werden. Sabine wurde geborgen - von den in der Zwischenzeit eingetroffenen Rettungsärzten konnte aber nur noch der Tod festgestellt werden, der nach den ärztlichen Untersuchungen vermutlich bereits bei der ersten Attacke in Sekundenschnelle durch den für diese Tiere typischen Genickbiss eingetreten war.

Die behördlichen Ermittlungen
Bereits am Tag des Unfalles setzten die behördlichen Ermittlungen ein. Sowohl die Polizei, als auch das Arbeitsinspektorat prüften die Sicherheitsvorkehrungen im Katzenhaus und die Arbeitsbedingungen der Tierpfleger. Bei den behördlichen Begehungen wurde festgestellt, dass der Tiergarten allen derzeitigen und international gültigen Sicherheitsbestimmungen entspricht. Als Unfallursache wurde eindeutig menschliches Fehlverhalten der Pflegerin festgestellt, ein technisches Versagen wurde ausgeschlossen.

Die Sicherheit im Tiergarten Schönbrunn
Das Thema Sicherheit hat für die Mitarbeiter und Besucher, aber auch für die Tiere, in allen wissenschaftlich geführten Zoos absolute Priorität. So auch im Tiergarten Schönbrunn.

Vor jedem Neubau besuchen Tierpfleger, Kuratoren und Planer Tagungen und vergleichbare Anlagen in der ganzen Welt, um sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren.

Sicherheitsvertrauenspersonen, ein Sicherheitsbeauftragter, eine externe Sicherheitsfachkraft und die Betriebsärztin überprüfen im Interesse der Mitarbeiter regelmäßig Verbesserungsmöglichkeiten der bestehenden Anlagen und die Einhaltung der für jedes einzelne Revier erarbeiteten Sicherheitsbestimmungen.

Natürlich hat der tödliche Unfall zu weiteren internen Überlegungen beigetragen, wie ein derartiger Unglücksfall künftig verhindert werden könnte. Auch aus der Öffentlichkeit kamen viele Vorschläge, die von automatischen Überwachungen bis zu Schleusensystemen, wie in Strafanstalten üblich, reichten.

Bis jetzt handelte es sich dabei jedoch ausschließlich um Ideen, die bereits vor Jahren geprüft und als “nicht praktikabel” verworfen wurden.

So hat ein Schleusensystem wie in Gefängnissen den (unter Umständen tödlichen) Nachteil, dass damit zwar dem Tier, aber im Notfall auch dem Pfleger die Flucht unmöglich gemacht wird.

Auch konnte bisher noch keine verlässliche Lösung für eine automatische Überwachung, die für die Sicherheit bei allen Arbeitsabläufen garantieren sollte, gefunden werden. So ist zum Beispiel das gleichzeitige Öffnen einzelner Schuber und der Türe in den Tierbereich bei der täglichen Reinigungsroutine nötig und darf daher elektronisch nicht verhindert werden.

Die Arbeit zu zweit stellt nach Meinung aller Experten ebenfalls keine Verringerung, sondern eine Erhöhung des Risikos dar, da es bereits durch kleine Missverständnisse zu gefährlichen Situationen kommen kann.

Auch das Mitführen einer Waffe hätte den blitzschnellen Angriff der Jaguare nicht verhindern können.

Das in Schönbrunn geltende Prinzip ist in allen Zoos das gleiche: Nur der agierende Pfleger darf über Schuberbewegungen entscheiden und diese durchführen. Bevor er eine Tieranlage betritt, muss er sich überzeugen, ob dies gefahrlos möglich ist. Dazu muss er sich vergewissern, wo die Tiere sind, und dass diese nicht durch offene Schuber bzw. Türen in die betreffende Anlage gelangen können. Die Schuber müssen so angebracht und zu bedienen sein, dass der Pfleger von seinem Standort alle Schuber direkt sehen kann.
Alle Schuber sollten möglichst wenig anfällig für Störungen und aus rostfreiem Edelstahl konstruiert sein. Sie sollten manuell oder mittels Schlüssel bedient werden können. So können sie einerseits je nach Erfordernis schnell oder langsam betätigt werden, andererseits wird so dem Bedienungsvorgang erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet (ein Knopf ist im Vorbeigehen rasch gedrückt, ohne dass man sich dessen wirklich bewusst wird).

Wie sich leider gezeigt hat, ist auch der gewissenhafteste Mensch vor einem Fehler oder einem Blackout nicht gefeit.

Sollte künftig eine Technik gefunden werden, die einen solchen Unfall verhindern kann, würden dies alle Zoos der Welt begrüßen.

Eines darf jedoch nicht vergessen werden: Die Pfleger sind sich der “Gefährlichkeit” ihrer Wildtiere bewusst. Für viele Besucher ist ein Zoo aber immer noch ein Ort mit zahmen (Streichel-)Tieren: unglaublich, mit welchen Aktionen Besucher sich und andere gefährden.

Es ist zu hoffen, dass Sabines Tod wenigstens das eine erreichen kann:

Dass möglichst viele Menschen die Aufgaben der Zoos und das damit verbundene Schlagwort der “artgerechten Tierhaltung” richtig verstehen und respektieren, dass ein Wildtier hier auch wirklich ein Wildtier bleiben soll.

Denn dafür hat Sabine gelebt.

Gerhard Kasbauer
Stellvertretender Direktor und Prokurist
Schönbrunner Tiergarten GesmbH

http://www.zoovienna.at

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