BK Schüssel: "Rede zur Lage der Nation", II. (I.: siehe hier)  

erstellt am
16. 05. 06

 Schüssel: Österreich muss auf dem Erfolgsweg bleiben
Arbeitsmarkt und Wirtschaft sowie Bildung und Integration waren die Schwerpunkte der "Rede zur Lage der Nation"
Wien (övp-pd) - "Österreich steht heute sehr gut da und muss auf diesem Erfolgsweg bleiben", so ÖVP-Bundesparteiobmann Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel in seiner "Rede zur Lage der Nation", die traditionell seit mehr als zwei Jahrzehnten vom ÖVP-Bundesparteiobmann im Gedenken an die Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai gehalten wird. Bundeskanzler Schüssel legte in seiner Rede vor rund 2.000 Österreicherinnen und Österreichern im Wiener Konzerthaus seine Schwerpunkte auf die Lage am Arbeitsmarkt, die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs sowie die Themen Bildung und Integration.

Bundeskanzler Schüssel ging in seiner Rede wie auch zuvor Innenministerin Liese Prokop auf das wichtige Thema Integration ein. Jeder achte, der in Österreich lebt, sei nicht hier geboren. "Das war und ist für Österreich ein riesiger Vorteil, diese Menschen haben uns bereichert." Bundeskanzler Schüssel verwies auf zahlreiche prominente Persönlichkeiten, wie Christoph Kardinal Schönborn, den Unternehmer Daniel Swarovski, Staatsopern-Direktor Ioan Hollender, die Schwimmerin Mirna Jukic und den Journalisten Paul Lendvai. "Es sind viele zu uns gekommen, denen wir unendlich viel verdanken", so Schüssel. "Sie alle sind Vorbilder und haben eines gemeinsam - sie haben und hatten den Willen zur Integration und die Begeisterung, sich mit unserer Kultur und Sprache auseinanderzusetzen", betonte Schüssel. Man dürfe auch nicht all die "anonymen" Beispiele, wie die zahlreichen Menschen, die etwa in der Pflege oder im Tourismus beschäftigt sind, vergessen.

Natürlich gebe es überall, wo Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund leben, "Probleme, die man nicht unter den Teppich kehren darf". Eine wichtige Aufstiegsleiter in diesem Zusammenhang sei das Thema Bildung. "Das Lernen der Sprache ist der Schlüssel zur Integration", sagte der Bundeskanzler. "Was sind wir kritisiert worden dafür, dass wir auch etwas verlangen von denen, die bei uns leben wollen - aber das ist in ihrem eigenen Interessen", so Schüssel. "Wir wollen nicht, dass Österreich eine Plattform für Agitatoren wird, als Sprungbrett für dunkle Netzwerke missbraucht wird oder Missbrauch unter dem Deckmantel des Asylgesetzes betrieben wird", so Schüssel.

Bundeskanzler Schüssel unterstrich die Bedeutung des Themas Bildung. Er verwies unter anderem auf die Erfolgsgeschichte der Fachhochschulen, bei denen es seit dem Jahr 2000 eine Steigerung der Studierendenzahlen um mehr als das doppelte gegeben habe, die gestiegenen Zahlen der Studienanfänger sowie Studienabsolventen. Das Exzellenz-Institut sei Wirklichkeit und "wir wollen dort die besten und hellsten Köpfe aus der ganzen Welt ansiedeln". Es sei geradezu eine "Orwell'sche Sprachkunst, so einen Erfolg in der Bildungspolitik umzudrehen von jenen, die in der Vergangenheit alles getan haben, dass Bildung und Leistung abqualifiziert werden. Das nehmen wir nicht hin."

"Diejenigen, die gegen Noten, gegen Autorität, gegen den Begriff Elite waren, die kein differenzierte Schulwesen wollen, die sollen uns zeigen, warum das österreichische Bildungssystem an Länder angepasst werden soll, in denen die Jugendarbeitslosigkeit doppelt so hoch ist wie in Österreich", betonte der Bundeskanzler. Das Ziel des österreichischen Bildungssystems sei nicht, irgendwo Testsieger zu sein. "Wir wollen unseren Jugendlichen Top-Chancen geben, die es ihnen ermöglichen, ein gutes und erfülltes Leben zu führen", so Schüssel. Wichtig sei die Motivation der Lehrer, die Unterstützung von zuhause, die Bereitschaft, den Schülern etwas lernen zu wollen. "Das Wort eines Lehrers muss wieder etwas gelten, auch zuhause bei den Eltern. Wir müssen den Lehrern die Instrumente in die Hand geben, damit sie wieder das bringen können, was wir uns von ihnen erwarten", so Schüssel. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer habe dabei jede Unterstützung.

Ein zentrales Thema der heutigen Zeit sei auch der Bereich Arbeit, so Bundeskanzler Schüssel weiter. Es sei ein Recht, eine Notwendigkeit und eine Pflicht des Menschen, Arbeit zu suchen. "Wir sind hier gut aufgestellt: Wir haben heute 3,25 Millionen Arbeitsplätze - so viele hat es noch nie in der österreichischen Geschichte gegeben. Wir haben ein gewaltiges Qualifizierungsprogramm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit initiiert, damit der Wiedereinstieg in die Arbeit leichter wird." In allen Bundesländern gehe die Zahl der Arbeitslosen mittlerweile zurück: "Das macht Mut." Dafür gebe es Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Steuerreform, der 25-prozentigen Körperschaftssteuersatz, die Gruppenbesteuerung und den Mittelstandsbonus. "25 Prozent Körperschaftssteuersatz waren ein 'Golden Nugget' in der Wirtschaftspolitik der letzten Zeit", so Schüssel. Wir haben uns damit europaweit eine Namen gemacht. In Deutschland schaue man auf das österreichische Modell." Dagegen zu stimmen, wie es die SPÖ gemacht habe, sei nicht nachvollziehbar. Der Mittelstandsbonus sei ein ganz wichtiger Schritt. Den kleinen und mittleren Betrieben müsse bewusst werden, "dass sie der eigentliche Jobmotor in Österreich sind". Ziel sei, bis 2010 noch einmal 200.000 Arbeitsplätze durch geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

"Wer nicht wirtschaften kann, kann auch keine Arbeitsplätze schaffen und gefährdet die Arbeitsplätze", so der Bundeskanzler. Als Beispiele nannte der Bundeskanzler Konsum und Verstaatlichte. "Wer mit dem Finger auf andere zeigt, muss immer bedenken, dass drei Finger auf einen selber zurückweisen." Neoliberalismus, Abzocken, Heuschrecken-Kapitalismus - die ÖVP stehe damit nicht in Verbindung. "Ich stehe zu unserer Linie bei der BAWAG: ja zu einer begrenzten und zeitlich befristeten Hilfe in der Höhe von maximal 900 Millionen Euro, wenn damit die 6.000 Arbeitsplätze sowie die Spareinlagen der 1,3 Millionen Kunden bestmöglich abgesichert werden."

"Österreich steht heute sehr gut da: vor sechs Jahren waren wir noch vorletzter, heute sind wir unter den besten drei in der EU", so Bundeskanzler Schüssel. Die Löhne seien in diesen Jahren um 14 Prozent gestiegen, die Pensionen um 13 Prozent, für die Ausgleichzulagenpensionisten habe es eine Steigerung um 17 Prozent gegeben, für die Familienausgleichzulage eine 30-prozentige Steigerung. "In der Sozialpolitik brauchen wir uns von niemanden belehren lassen: Sozial ist, was Arbeit schafft. Sozial ist derjenige, der sich um die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens und um die kleinen Leute kümmert."

Österreich stehe heute auch in der Familienpolitik besser da als vor dem Jahr 2000. Es gebe doppelt so viele Kindergeldbezieher als noch vor sechs Jahre. "Mit der Frauenerwerbsquote von 79 Prozent haben wir Schweden und Dänemark abgehängt. Das heißt Vereinbarkeit von Familie und Beruf", betonte Schüssel. Die Teilzeitarbeit sei angestiegen, das entspreche dem Wunsch der jungen Familien. Die Zufriedenheit beim Kindergeldmodell liege bei 75 Prozent.

Es sei auch "immer ganz gut, den Blick über den Tellerrand zu heben", so Bundeskanzler Schüssel. Wenige Stunden nach dem EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel sei er "stolz und nachdenklich zugleich". Stolz darauf, dass 60 Staats- und Regierungschefs nach Österreich gekommen seien, "diesen Platz der Begegnung geschätzt haben und zufrieden nachhause gefahren sind, dass wir verbinden konnten, dass wir einander zugehört haben". Nachdenklich stimme ihn, dass Demokratien in der heutigen Zeit so schwer erklärbar seien und Schwierigkeiten mit sich bringen würden. "Rassistische Übergriffe, Bluttaten etc. in europäischen Demokratien machen nachdenklich", so Schüssel. Er sei aber "stolz, dass Europa immer noch fasziniert. Vielleicht nach außen noch mehr als uns nach innen bewusst ist. Wir sind ein wichtiger Ansprechpartner - dessen müssen wir uns bewusst sein. Bei aller Verwurzelung dürfen wir auch die internationale Dimension nie vergessen", betonte der ÖVP-Bundesparteiobmann. Europa brauche "Mutmacher, keine Miesmacher".

"Österreich ist auf dem richtigen Weg. Wir sind auf der Überholspur und dass wir nicht zurückfallen auf den Pannenstreifen, dafür müsst Ihr im Herbst bei der Wahl sorgen", so der ÖVP-Bundesparteiobmann abschließend zu den Gästen.

 

 Gusenbauer: Schüssel steht für Vergangenheit, SPÖ für Zukunft
Wien (sk) - "Heute Vormittag hat Wolfgang Schüssel nur über die Vergangenheit gesprochen. Wir sprechen heute Nachmittag über die Zukunft", so SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am 15. 05. in einer Diskussionsrunde mit Jugendlichen mit dem Titel "Österreich ist frei – Jugend will Zukunft! Die etwas andere Staatsvertragsfeier". Gusenbauer mahnte dabei die Verantwortung der Politik ein, Chancen für die Jugendlichen im Bildungs- und Ausbildungsbereich zu schaffen. Günther Ogris (Leiter des SORA-Instituts) stellte eine Studie vor mehr als 300 Jugendlichen vor, die feststellt: Österreichs Jugendliche sind pessimistischer als Jugendliche in anderen europäischen Ländern.

"Fast zwei Drittel der österreichischen Jugendlichen sehen schwarz, was ihre Jobchancen, ihr Einkommen und die soziale Sicherheit angeht. Sie sind um einiges pessimistischer als andere junge EuropäerInnen", fasste Ogris die Ergebnisse der Studie zusammen. So glauben 62 Prozent, dass ihre Jobchancen in zehn Jahren schlechter sein werden als heute. 45 Prozent sind der Meinung, dass ihr Einkommen schlechter sein wird als das ihrer Eltern.

"Die derzeitige Bundesregierung vergisst auf eine ganze Generation und das wird Folgen haben", so Gusenbauer. Die Studie zeige, so der SPÖ-Vorsitzende, dass junge Menschen Sorgen hätten und zu Recht kritisch seien. "Junge Menschen wollen Lösungen. Wir haben diese Lösungsvorschläge und die richtigen Programme", betonte Gusenbauer, der auch eine neue Politik einer sozialdemokratisch geführten Regierung skizzierte: "Wir werden maßgebende Reformen zur Qualitätssteigerung unseres Bildungssystems durchführen und mehr Ganztagsschulen ermöglichen, und wir werden einen Lastenausgleichsfonds zur Schaffung neuer Lehrlingsplätze ins Leben rufen."

Gusenbauer garantiert, dass Studiengebühren abgeschafft werden
Zu Schüssels "Rede zur Lage der Nation" fand Gusenbauer deutliche Worte: "Es ist schon sehr seltsam, wenn Schüssel in seiner Funktion als Bundeskanzler Studierende, die arbeiten gehen müssen, um sich das Studium zu leisten, in Bausch und Bogen als Bummelstudenten beleidigt. Das ist schon ein starkes Stück." Klar sei aber, dass die Studiengebühren eigentlich eine sehr geringe Geldsumme in die Taschen des Finanzministers bringen würden. "Ich garantiere, dass die Studiengebühren abgeschafft werden, wenn Alfred Gusenbauer Bundeskanzler ist", stellte der SPÖ-Vorsitzende unter großem Applaus fest.

"Ich habe lange nach einer betrieblichen Lehrstelle gesucht. Auf 50 Bewerbungen kamen nur Absagen", stellte Andrea Zach, mittlerweile Lehrling bei "Jugend am Werk" die schwierige Situation junger Menschen auf Ausbildungssuche dar. Dass die vielen Absagen Jugendliche auch grundsätzlich verunsichern, verheimlicht Zach nicht: "Ich glaube, dass sich kaum wer vorstellen kann, wie schwierig und frustrierend meine Situation war. Doch die Absagen waren nicht unbedingt förderlich für meinen Optimismus." Aber auch für Studierende ist die Situation durch die Einführung der Studiengebühren nicht gerade einfach geworden: "Ich muss arbeiten, um meine Ausbildung zu finanzieren und kann mir nicht leisten, darauf zu achten, ob die Arbeit etwas mit meiner Ausbildung zu tun hat oder nicht", hielt Michelle Lanz fest. Als Tochter einer Alleinerzieherin sei es alles andere als leicht, das Studium zu finanzieren. Einen anderen Aspekt der Bildungspolitik der Regierung kritisierte der Jusstudent Matthias Friedrich: "Es geht auch um die Einbindung junger Menschen in politische Entscheidungsprozesse. Heute werden Bildungsreformen ohne Rücksicht auf die Schüler und Unireformen ohne Einbindung der Studierenden durchgepeitscht."

Enttäuscht über die Entwicklung der letzten sechs Jahre zeigte sich auch Kammerschauspieler Fritz Muliar: "Es ist traurig zu sehen, dass der Fortschritt, den die Aufbaugeneration erkämpft hat, die letzten sechs Jahre kontinuierlich beschnitten wurde. Vieles von dem, wofür ich in meinem Leben gekämpft habe – wie zum Beispiel der freie Hochschulzugang -, wird von der heutigen Generation wieder gefordert, und diese Errungenschaften müssen anscheinend wieder von Neuem erkämpft werden. Heute befindet sich unser Land in der Geiselhaft der konservativen Regierung."
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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