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Nationalrat beendet ordentliche Tagung 2001 / 2002
Weniger und kürzere Sitzungen, aber mehr Gesetzesbeschlüsse
Wien (pk) - 36 Sitzungen mit einer Gesamtdauer von 283 Stunden und 38 Minuten - das ist die in Zahlen gefasste Bilanz des Nationalrats über die Tagung 2001/02, die letzten Freitag zu Ende ging. Dabei beschlossen die Abgeordneten 174 Gesetze und genehmigten 71 Staatsverträge sowie vier Vereinbarungen mit den Bundesländern. Weiters wurden 11 Berichte der Bundesregierung, des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft behandelt und zur Kenntnis genommen.

Damit tagte der Nationalrat in diesem Jahr zwar weniger häufig als in der vorangegangenen Tagung 2000/2001 und verhandelte um rund 64,5 Stunden weniger, gleichzeitig stieg aber die Zahl der Gesetzesbeschlüsse deutlich von 128 auf 174. Erstmals seit mehreren Jahren gab es in der abgelaufenen Tagung keine Sondersitzung. Auffallend ist, dass der Anteil der einstimmig verabschiedeten Gesetze trotz zum Teil heftiger Kontroversen zwischen Regierungsparteien und Opposition mit 46 Prozent nach wie vor deutlich höher ist als zu Zeiten der rot-schwarzen Koalition.

Weiters hielten die Abgeordneten in der Tagung 2001/02 10 Aktuelle Stunden und 11 Fragestunden mit insgesamt 94 Fragen und 269 Zusatzfragen ab. 13 Anträge und drei Volksbegehren wurden in eine Erste Lesung genommen, fünf Mal gaben Regierungsmitglieder Erklärungen zu aktuellen Themen wie den Terroranschlägen in New York am 11. September vergangenen Jahres und umstrittenen Aussagen von Volksanwalt Ewald Stadler ab. In 56 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat. Trotz strikter Blockredezeitbeschränkungen dauerte die längste Sitzung immer noch 15 Stunden und 36 Minuten.

Auch die parlamentarischen Minderheitsrechte wurden im vergangenen Parlamentsjahr wieder vielfach in Anspruch genommen, und zwar nicht nur von der Opposition, sondern auch von den beiden Regierungsfraktionen. So verhandelte der Nationalrat insgesamt 12 Dringliche Anfragen, von denen nur 7 auf das Konto der beiden Oppositionsparteien (5 S, 2 G) und 5 auf das Konto der Koalition gehen. Zusätzlich wurden 6 Dringliche Anträge (2 gemeinsam von FPÖ und ÖVP, einer von der SPÖ und drei von den Grünen) eingebracht und 18 Kurze Debatten (10 S, 8 G) zu schriftlichen Anfragebeantwortungen der Regierung, Fristsetzungsanträgen und Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abgehalten. Aus Protest, dass ein Dringlicher Antrag ihrer Fraktion nicht zugelassen wurde, zogen die Grünen aus einer Nationalratssitzung aus.

Sämtliche Versuche der Opposition, neben dem laufenden Untersuchungsausschuss zur Vergabepraxis des Sozialministeriums (Stichwort "Euroteam") einen weiteren Untersuchungsausschuss zu installieren, beispielsweise zu den gestiegenen Frühpensionierungen bei Post, Bahn und Telekom, zur Beschaffung von Radaranlagen für das Bundesheer oder zum so genannten "Frächterskandal" scheiterten jedoch. Gleiches gilt für die insgesamt vier in dieser Tagung eingebrachten Misstrauensanträge. Zweimal wollten SPÖ bzw. Grüne dabei Sozialminister Herbert Haupt das Vertrauen entziehen, je ein Misstrauensantrag betraf Innenminister Ernst Strasser und die gesamte Bundesregierung.

Für verbale Ausrutscher mussten die drei Nationalratspräsidenten in dieser Tagung insgesamt 15 Ordnungsrufe erteilen, wobei der Kommentar "Sieg Heil" von SPÖ-Abgeordnetem Rudolf Edlinger zu einer Rede von Abgeordneter Helene Partik-Pable (F) in der 100. Nationalratssitzung besondere Irritationen auslöste.

Mit Infrastrukturminister Matthias Reichhold, der seine Vorgängerin Monika Forstinger ablöste, wurde den Abgeordneten ein neuer Minister präsentiert.

139 Ausschußsitzungen, 2 Enqueten, 3 Enquete-Kommissionen
Zu den Plenarsitzungen kommen 139 Ausschusssitzungen und 49 Sitzungen von Unterausschüssen. Dabei wurden zahlreiche Berichte der Regierung "enderledigt" und kamen damit nicht mehr ins Plenum. Der in der vorangegangenen Tagungsperiode eingesetzte Untersuchungsausschuss trat zu insgesamt 10 Sitzungen zusammen.

Der Hauptausschuss hielt im abgelaufenen Parlamentsjahr 14 Sitzungen ab. Dabei standen traditionellerweise die Entsendung von Soldaten, Exekutivbeamten und anderen Sicherheitsexperten zu Friedensmissionen bzw. die Verlängerung von UN-Mandaten im Vordergrund. Die Genehmigung der Teilnahme Österreichs an der UN-Friedenssicherungsmission in Afghanistan (ISAF) am 17. Jänner 2002 und die Entsendung von bis zu 75 Bundesheersoldaten nach Kabul bildeten einen Höhepunkt dieser Tätigkeit des Hauptausschusses. Dazu kamen die Bewilligung der Geschäftsordnung für den Nationalen Sicherheitsrat und Beschlüsse zur Einsetzung Parlamentarischer Enqueten.

Als EU-Ausschuss bereitete der Hauptausschuss jeweils in öffentlichen Sitzungen die Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Gent, Laeken, Barcelona und Sevilla vor, aber auch den außerordentlichen informellen EU-Rat, der im September 2001 wegen der Terroranschläge in den USA einberufen wurde. In der einzigen Stellungnahme, die der Hauptausschuss in der zu Ende gegangenen Tagungsperiode abgab, forderte er u.a. einen europaweiten Ausstieg aus der Kernkraft, einheitliche europäische Sicherheitsstandards, bilaterale Nuklearinformation auf höchster Ebene mit Tschechien, die Lösung der sieben Sicherheitsprobleme des AKW Temelin und die Umsetzung der 21 Punkte der tschechischen UVP zu diesem Kraftwerk. Die Oppositionsparteien formulierten bei dieser Gelegenheit weitergehende Vorstellungen in Richtung Nulloption für Temelin und den europaweiten Atomausstieg. Mehrere Sitzungen widmete der Hauptausschuss der Frage nach der künftigen Entwicklung Europas, wobei auch die österreichischen Vertreter im diesbezüglichen EU-Konvent ihre Positionen darlegten.

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union befasste sich in seinen fünf Sitzungen unter anderem mit der Halbzeitbewertung der Agenda 2000, wobei sich die Abgeordneten über die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik einig waren. Überdies behandelte der Ausschuss die europäische Migrationspolitik, die Frage einer internationalen Grenzschutztruppe und Vorschläge zur Entwicklungszusammenarbeit wie die "Tobin-Steuer" gegen Währungsspekulationen. Weitere Themen waren die GATS-Verhandlungen der WTO, die Grenzwerte für gentechnikfreie Lebensmittel, das Euratom-Forschungsprogramm und der europäische Haftbefehl.

 
 Um spezielle Fragen ausführlich mit ExpertInnen zu diskutieren, hielt der Nationalrat darüber hinaus zwei Enqueten - zur Universitätsreform und zur Zukunft des österreichischen Films - ab und richtete eine weitere Enquete-Kommission betreffend Maßnahmen Österreichs zur Umsetzung der Gleichbehandlungs-Richtlinien der EU ein. Die im Jahr zuvor eingerichtete Enquete-Kommission, die sich mit der möglichen Beeinflussung von Wahlergebnissen durch Veröffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen und die vorzeitige Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen am Wahltag befasste, schloss im Februar nach insgesamt fünf Sitzungen ihre Beratungen ab. Nach wie vor aktiv ist die Enquete-Kommission, die sich mit der Verhältnismäßigkeit von Strafdrohungen in Österreich auseinandersetzt, sie hielt in der Tagung 2001/2002 sieben Sitzungen ab.

Die Präsidialkonferenz trat im Arbeitsjahr 2001/2002 zu 19 Sitzungen zusammen.

Enorm gestiegen, und zwar auf 67, ist die Zahl der dem Nationalrat vorgelegten Petitionen, wobei ein Großteil davon die Schließung von Postämtern in ländlichen Regionen betraf. Darüber hinaus wandte sich die Bevölkerung mit 7 Bürgerinitiativen direkt an das Hohe Haus. Weiters befasste sich der Nationalrat mit drei Volksbegehren zu den Themen "Sozialstaat Österreich", "Veto gegen Temelin" und "Bildungsoffensive", wobei zur Beratung des Anti-Temelin-Volksbegehrens ein eigener Ausschuss eingerichtet wurde.

Zahl der schriftlichen Anfragen unverändert hoch
Unverändert hoch ist die Zahl der schriftlichen Anfragen von Abgeordneten an Regierungsmitglieder, den Nationalratspräsidenten, den Rechnungshofpräsidenten und an Vorsitzende von Ausschüssen. Insgesamt wurden seit vergangenem September 1.457 derartige Anfragen eingebracht, wobei die SPÖ mit exakt 900 Anfragen vor den Grünen mit 450 Anfragen an der Spitze liegt. FPÖ-Mandatare stellten insgesamt 51 schriftliche Anfragen, ÖVP-Abgeordnete 45. 11 Anfragen wurden von Abgeordneten mehrerer Fraktionen gemeinsam ausgearbeitet. Am häufigsten nutzten die SPÖ-Abgeordneten Johann Maier (180), Josef Cap (79) und Heidrun Silhavy (75) sowie die Abgeordneten der Grünen Gabriele Moser und Madeleine Petrovic (je 66) dieses Kontrollrecht des Nationalrats.

Besonderes Interesse zeigten die Mandatare dabei für das Sozialministerium (227 Anfragen), das Innenministerium (191) und das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (168). Verteidigungsminister Herbert Scheibner wurde hingegen nur 46mal um Auskunft gebeten, Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer 47mal. An Nationalratspräsident Heinz Fischer richteten die Abgeordneten 8 schriftliche Anfragen, an Rechnungshofpräsident Franz Fiedler eine.

Darüber hinaus war das Hohe Haus auch im abgelaufenen Parlamentsjahr wieder Ort zahlreicher Veranstaltungen und internationaler Kontakte.