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wer macht die Kunst von morgen
Ars Electronica 2001 - Linz, 1. bis 6. September
Linz - Welche Konstellationen, welche Faktoren bestimmen die Kunst von morgen, wo wird sie stattfinden, wer wird sie machen und mit wem? Diese Fragen stehen im Zentrum der Ars Electronica 2001: Let’s take a look at the thing formerly known as art!
Wie sich an den Börsen und Finanzmärkten gezeigt hat, steckt die digitale Revolution in ihrer ersten echte Krise. Wie steht es da um die Kunst, um die Medienkunst, die ihre Entwicklung und öffentliche Aufmerksamkeit im Wesentlichen denselben Dynamiken verdankt wie die New-Economy? Kann die Medienkunst, als Überbegriff für die künstlerische Auseinandersetzung mit der technologischen Realität unserer Welt, ihre innovative Dynamik erhalten? Bleibt sie im Sinne der avantgardistischen Definition ein Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung oder werden ihre Kraft, ihr Glamour und ihre Attraktivität in der zunehmenden Alltags-Medien-Welt verblassen?
Wenige erkennen, dass sich Qualität nicht in der Übertragung des Alten in das neue System beweist, sondern in der Entwicklung und Erfindung von Formen und Methoden, die der neuen Situation adäquat sind. Doch es zeichnen sich bereits die Konturen des Neuen ab. Die digitale Revolution hat in ihrem Gefolge längst neue Formen und Ausprägungen von Kunst verursacht, deren Präsenz sich weitgehend außerhalb der Sphäre des Kunstbetriebs verlagert hat und vielfach auch vom Kunstbetrieb noch gar nicht wahrgenommen oder akzeptiert wird. Ein Phänomen, das von einem explosionsartigen Aus- und Aufbruch an Kreativität, von einem innovativen und inspirierten, oft unerwarteten Einsatz digitaler Informationstechnologie gekennzeichnet ist.

Neue Schauplätze außerhalb des Kunstbetriebs
Zu den neuen Schauplätzen gehören Wissenschaft, Sub- und Popkultur und eine neu entstandene Kreativ-Wirtschaft, aber auch zunehmend die für die Medienkunst eher exotischen Regionen wie etwa Malaysien, China, Korea oder Taiwan. Länder, die in den letzten Jahren massive technologische Aufrüstung betrieben haben und nun mit ähnlicher Vehemenz auch in die Schaffung der Brain-Ware investieren und dabei nicht nur auf Engineering, sondern auch auf Design setzen. So entsteht eine Dynamik, die sich verstärkt auch auf die künstlerischen Potenziale dieser Länder auswirkt.
Bei der Entwicklung von Computerspielen geht es immer auch um die Schaffung von Fiktionen, phantastischen Welten und Erlebnissen und das sind Zielsetzungen, die der Kunst sehr nahe stehen. Die Computerspiele-Industrie hat bereits die gleiche ökonomische Dimension wie die gesamte Filmwirtschaft, was nicht ohne kulturelle Folgen bleibt. Und auch wenn Computerspiele nicht unbedingt künstlerische Produkte sind, bietet sich durch das kommerzielle Potential ein neues Erwerbsfeld für eine Vielzahl von kreativ künstlerisch Tätigen und es entsteht ein in vielfacher Weise äußerst fruchtbares und kreatives Biotop. Angesichts der Tatsche, dass der Großteil der KünstlerInnen nach wie vor nicht von der eigentlichen künstlerischen Arbeit leben kann, stellt dies eine wesentlich bessere Alternative zum Job als Kellner oder Aushilfslehrer dar.

Neue Referenzsysteme
Die digitalen Informationstechnologien sind mehr als nur avancierte Produktions- und Distributionsmittel. Das Internet stellt ein schnelles, effizientes und in seiner Art neues Referenzsystem dar, in dem Ideen, Talente und Fähigkeiten in einer kooperativen wie wettbewerbsorientierten Verknüpfung entstehen, weiter entwickelt und perfektioniert werden. Das Internet beschleunigt nicht nur Produktionsprozesse, sondern auch die Ausbildung von Qualifikationen und Fähigkeiten. Die neuen Referenzsysteme können schnell aufgebaut und produktiv genützt werden und den traditionellen künstlerischen Ausbildungssystemen und Zugangsritualen Konkurrenz machen.

Erweiterte Wirkungsfelder
Es sind nicht mehr die technischen Möglichkeiten, sondern die sozio-kulturellen Strukturen der Informationsgesellschaft, die im Kontext einer Kunst von morgen ausschlaggebend sind. Der Kultur- und Wirtschaftsraum Internet ist Basis und Nährboden innovativer, inspirierter, künstlerischer Arbeitsweisen, deren Wirkungsfelder sich aufgrund der medienimmanenten Vernetzung enorm erweitert haben. Flexible Community-Zugehörigkeit ist ein Schlüsselbegriff, der sich im raschen und erfolgreichen Wechsel von Personen oder Projekten zwischen Kunst, Design, Wissenschaft und Kommerz oder in produktiven Parallelexistenzen in (diesen) unterschiedlichen Bereichen konkretisiert. Daraus resultiert auch ein grundlegend verändertes Selbstverständnis dieser jungen Künstlergeneration.

Ars Electronica 2001 – Conferences
Die Auseinandersetzung mit der Festivalthematik wird heuer in neuem Format präsentiert. Symposium, Conferences, Panels zu Virtual Reality und das Prix Ars Electronica Forum bilden ein dichtes Angebot, ein übergreifendes Theorie-Netz, das sich über die ganze Festivalwoche erstreckt.
Ziel der theoretischen Reflektionen rund um TAKEOVER ist es, die Konstellationen, die Rahmenbedingungen einer Kunst von morgen auszuloten und einen offenen Diskurs anzuregen und voranzutreiben. Ars Electronica 2001 richtet das Augenmerk auf die ProtagonistInnen und Projekte eines neuen kreativ-künstlerischen Aufbruchs, der zunehmend außerhalb des herkömmlichen Kunstbetriebs zu verorten ist. Dabei kommen – als prototypische Vertreter – neben Theoretikern und Wissenschaftern vor allem die Künstler und Kreativen selbst zu Wort.

TAKEOVER Symposium
Drei Symposium-Sessions (Part I, II, III) thematisieren und behandeln den Paradigmenwechsel des TAKEOVER, neue Rollenbilder und Arbeitsmodelle; neue Technologien, Werkzeuge und Konzepte im Bereich Content-Development und Skin Design für die Breitband-Zukunft. Der Sonntag Nachmittag (Part II) ist "Digital Culture & Lifestyle in Aktion" gewidmet. In einem entspannten Setting geben junge, profilierte Next-Generation-Creatives und electrolobby-Residents Einblick in ihre Arbeitsweisen, ihre Referenzen und ihr Lebensgefühl. Aber auch neue Strömungen in den Bereichen Interface Design, Screen Design und Film/Video - Stichwort Internetfilm, Web-TV - werden in diesem Symposion dargestellt und analysiert.
Creators of Life: Eine zentrale Herausforderung der Kunst schon heute und noch in viel größerem Ausmaße in den kommenden Jahren ist der Umgang mit den Entwicklungen der modernen Molekularbiologie und Gentechnik. Positionen und Erfahrungen und Ausblicke von KünstlerInnen die sich dieser Herausforderung stellen werden Part IV des Symposiums am Montag Nachmittag bestimmen.

Prix Ars Electronica 2001
Der Prix Ars Electronica wurde 1987 als eine offene Plattform für die unterschiedlichen Disziplinen im Bereich digitaler Mediengestaltung an der Schnittstelle von Kunst, Technologie, Wissenschaft und Gesellschaft konzipiert und hat sich dementsprechend im Verlauf der Jahre immer wieder erneuert und so der rapiden Entwicklung im Bereich der Informationstechnologien Rechnung getragen. In seiner 15. Ausgabe wurde die Netzkategorie des Prix Ars Electronica neu definiert und wesentlich ausgebaut. Erstmals werden heuer in der Netzkategorie sechs Geldpreise, also zwei Goldene Nicas und vier Auszeichnungen in den Sparten Net Vision und Net Excellence vergeben.
2001 haben an dem mit Euro 100.000 (US$ 89.700) dotierten, von jet2web Internet gestifteten Wettbewerb insgesamt 2.200 Einreicher aus 65 Ländern teilgenommen. Mit dem von der Postsparkasse (P.S.K.) gesponserten Jugendwettbewerb u19-freestyle computing gibt die Cybergeneration in Österreich mit über 900 Einreichungen ein kräftiges Lebenszeichen.

Concerts, Events & Performances
Ein dichtes Programm an Konzerten, Events und Performances sorgt für abwechslungsreiche TAKEOVER-Nächte. Zu den Highlights zählt Golan Levin's Dialtones: A Telesymphony, das erste Konzert, das ausschließlich mit den Handy-Ruftönen des Publikums gespielt wird (2. September, Brucknerhaus, 21.00). Ryoji Ikeda's Konzertperformance erzeugt mit der Ausdruckskraft minimalistisch eindringlicher Klangschichten und präziser visueller Elemente ein sensibles, reizintensives Ambiente (4. September, Brucknerhaus, 21.00).
Bei Container Park dient Industriegelände als Performance Space, für Señor Coconut y su conjunto und seiner exzentrischen Verschmelzung von Kraftwerk und lateinamerikanischer Musik - ein Tanzkurs frei nach dem Motto "El baile Alemán" (5. September, Container Terminal Linz AG, 21.00). Den Donaupark verwandelt heuer der finnische Electronic Musiker Vladislav Delay aka Luomo in das eindrucksvolle akustische Environment des Klangpark 2001. Musikalischer Abschluss und ein weiteres Highlight ist das Weltdebut der Laptop Supergroup fLeetwood Macintosh, featuring all live Sets von tigerbeat6's bLectum from bLechdom, Lesser und kid606 (6. September, Posthof, 22.00).

Weitere Informationen: http://www.aec.at/festival2001/