Thema Nationalratswahl – 23. Oktober 2002

 EU-Erweiterung
 Schüssel: Lösung der Finanzfragen bestimmt Erfolg in Brüssel
Die EU-Erweiterung liegt im Interesse Österreichs
Wien (bpd) - Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel und Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner informierten am Dienstag (22. 10.) über die österreichischen Positionen und Schwerpunkte zu dem bevorstehenden Außerordentlichen Europäischen Rat in Brüssel. Als Schwerpunktthemen bezeichnete der Bundeskanzler den Fortschrittsbereicht der Europäischen Kommission über die Beitrittskandidatenländer sowie die Fragen der Finanzierung.
"Österreich unterstützt den Vorschlag der Kommission und setzt sich darüber hinaus für die Erstellung eines klaren Beitrittszeitplans für Bulgarien und Rumänien ein. Die Erweiterung liegt im Interesse Österreichs, und wir treten aus voller Überzeugung für die Wiedervereinigung Europas ein", betonte der Bundeskanzler.
Schüssel wies jedoch auch darauf hin, dass der Erfolg des Europäischen Rates in Brüssel von einer Einigung über die Finanzierung der Erweiterung abhänge. "Hier sind in den vergangenen Monaten sehr wenige Fortschritte gemacht worden. Bis zur Stunde gibt es vor allem bedingt durch die Wahlen in Frankreich und Deutschland keine klare und gemeinsame Position dieser beiden Länder. Jetzt müssen wir in Brüssel versuchen, einen Ausgleich von drei wichtigen Parametern zu finden", so Schüssel. Dazu gehöre der berechtigte Wunsch der Nettozahler, die Erweiterungskosten im Rahmen der in Berlin festgelegten Obergrenze zu halten, so der Bundeskanzler. Schüssel wies darauf hin, dass Österreich bestrebt sei, das derzeitige Niveau von 1,1% des BIP beizubehalten. Ebenso betonte Schüssel die Notwendigkeit einer "vernünftigen" Agrarfinanzierung, die eine Garantie für Österreichs Bauern für stabile Rahmenbedingungen bis 2006 enthalten solle. Es sei jedoch auch wichtig, erklärte der Bundeskanzler, dass keines der Beitrittskandidatenländer durch den Beitritt finanzielle Einbußen erleide.
Als für Österreich wesentliche Verhandlungsthemen nannte der Bundeskanzler eine Einigung über die Verlängerung des Öko-Punktesystems beim Treffen der Verkehrsminister Anfang Dezember, die Anhebung der INTERREG-Programme sowie die Fragen der nuklearen Sicherheit. Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass für Österreich wichtige Themen bereits geklärt werden konnten, so Schüssel und nannte als Beispiele die Übergangsregeln im Bereich der Beschäftigung, die Initiative für EU-Sicherheitsstandards im Bereich Atomenergie sowie die Sensibilisierung zu Fragen der Vergangenheitsbewältigung.

 

 Cap kritisierte Handlungsunfähigkeit der Regierung bei EU-Erweiterung
Wien (sk) - Scharfe Kritik am Umstand, dass es keine gemeinsame Position der österreichischen Bundesregierung zu wesentlichen Frage der EU-Erweiterung gibt, übte Dienstag (22. 10.) im Vorfeld der Sitzung des Hauptausschusses des Nationalrates der geschäftsführende Klubobmann der SPÖ, Josef Cap.
Zur Frage der Finanzierung der EU-Erweiterung, der künftigen EU-Agrarpolitik, der EU-Regional- und Strukturpolitik, der Transitfrage und der Frage der Benes-Dekrete gebe es keine akkordierte Position der Regierung. Es stelle sich somit die Frage, auf welcher Grundlage Bundeskanzler Schüssel und Außenministerin Ferrero-Waldner beim Europäischen Rat in Brüssel welche Position vertreten werden. "Diese sogenannte Bundesregierung ist aufgrund ihrer inneren Uneinigkeit in der für Österreichs Zukunft elementaren Frage der EU-Erweiterung einmal mehr de facto handlungsunfähig", kritisierte Cap gegenüber dem Pressedienst der SPÖ. "Wir wenden uns dagegen, dass von Seiten der FPÖ Temelin und Benes -Dekrete als Vorwand für eine Ablehnung der EU-Erweiterung genommen werden, die aus ganz anderen Gründen nicht gewollt wird."
Sowohl in der Frage Temelin als auch der Transitfrage habe diese Regierung nichts zusammengebracht. Verkehrsminister Reichhold habe sich für einen "Verhandlungserfolg" mit Italien in der Transitfrage feiern lassen, der nun von der FPÖ selbst offensichtlich als völlig unzureichend betrachtet werde, da sie auch beim Transit mit einem Veto drohe. Gleiches gelte für das Kraftwerk Temelin, wo die FPÖ zunächst die Kapitulationserklärung Schüssels zu Temelin mitgetragen habe und nun wieder vom Veto rede. Dieses selbstverschuldete Versagen der Bundesregierung werde nun von der FPÖ einmal mehr zum Anlass genommen, um aus wahltaktischen Gründen mit einem Veto gegen die gesamte EU-Erweiterung zu drohen, stellte Cap fest.
Die SPÖ werde daher, so Cap abschließend, in der heutigen Sitzung des Hauptausschusses zu den wesentlichen Punkten der EU-Erweiterung Anträge einbringen, die, so sie beschlossen werden, geeignet sind, Bundeskanzler und Außenministerin zu binden und zu verpflichten, beim EU-Rat in Brüssel und den noch folgenden Verhandlungen Österreichs Interessen im Zuge der EU-Erweiterung optimal wahrzunehmen. In diesen Anträgen wird die Bundesregierung aufgefordert:

  • sich, was die Benes-Dekrete angeht, auf diplomatischem Weg um eine Geste der Versöhnung zwischen Österreich und der Tschechischen Republik zu bemühen und von Veto-Drohungen in diesem Zusammenhang Abstand zu nehmen,
  • konsequent über eine Nachfolgereglung des Transitvertrages zu verhandeln, wobei insbesonders Maßnahmen zur Begrenzung des Transits zu vereinbaren sind,
  • Die Weichenstellungen für eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik nicht zu behindern, und
  • sicherzustellen, dass die in Berlin festgesetzte Ausgabenobergrenze für den Finanzrahmen der EU bis 2006 von 1,27 Prozent des Bruttosozialproduktes durch die im Zuge der Erweiterung anfallenden Kosten nicht überschritten wird.

 
 Glawischnig zu Temelin: Vetopolitik kontraproduktiv
FPÖ will mit mieser Stimmungsmache eigene Anti-Atom-Niederlage kaschieren
Wien (grüne) - Als "kontraproduktiv für die dringend zu führenden Stillegungsverhandlungen", bezeichnet die stv. Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, die von der FPÖ erneut in den Raum gestellten Vetodrohungen gegen Tschechien in Zusammenhang mit dem Atomkraftwerk Temelin.
"Die FPÖ will mit dieser miesen Stimmungsmache gegen Tschechien nur das erbärmliche Scheitern der eigenen Anti-Atom-Politik kaschieren und tschechienfeindliche Ressentiments bedienen", kritisiert Glawischnig, die daran erinnert, dass die FPÖ bereits Anfang des Jahres angekündigt hatte, mit Tschechien Verhandlungen über die Nullvariante (also Stillegung) aufzunehmen.
"Obwohl der Nationalrat im Juli neuerlich - auch mit den Stimmen der FPÖ - bekräftigt hat, mit der neuen tschechischen Regierung Ausstiegsverhandlungen zu führen und dafür ein Ausstiegsangebot vorzulegen, ist bis heute nichts passiert", so Glawischnig. "Die Anti-Atom-Politik der Blau-Schwarzen Bundesregierung ist gescheitert. ÖVP-Bundesminister Molterer war wenigstens so ehrlich, diese Niederlage einzugestehen, indem er die Nullvariante aufgegeben hat. Der FPÖ hingegen ging es nie wirklich um Anti-Atom-Politik, sondern nur um Wahlkampftaktik, die uns dem Temelin-Ausstieg aber keinen Millimeter näherbringt", so Glawischnig.
Die Grünen treten dafür ein, mit Tschechien in Richtung Stillegung des AKW zu verhandeln und dazu ein Ausstiegsangebot zu erarbeiten, das die Modernisierung und Ökologisierung der tschechischen Energiewirtschaft unterstützt, wodurch auch die österreichische Wirtschaft profitieren könnte.
 Staatsreform
 Fischer für Einberufung eines Verfassungskonvents
Fischer für mehr Transparenz bei der Bestellung von neuen VfGH-Richtern
Wien (sk) - Der stellvertretende SPÖ-Vorsitzende Heinz Fischer bekräftigte am Dienstag (22. 10.) in einer Pressekonferenz im Zusammenhang mit einer Staatsreform die Forderung der SPÖ nach Einberufung eines Verfassungskonvents. Aus Sicht der SPÖ müssten Kernfunktionen des Staates aufrecht bleiben (Bundesforste, Asylpolitik) und Bemühungen um eine Wiederverlautbarung der Bundesverfassung angestellt werden.
Weiters sollten Aufgaben, die man besser und billiger regeln und erledigen kann, wenn sie einheitlich erledigt werden, nicht aufgesplittert werden (bundeseinheitlicher Tierschutz, bundeseinheitliches Jugendschutzgesetz). Zudem müssten Doppelkompetenzen beseitig sowie eine präzisere Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und auch eine Kompetenzbereinigung zwischen Ländern und Gemeinden angestrebt werden.
Fischer zeigte sich nicht verwundert darüber, dass in der zu Ende gehenden Gesetzgebungsperiode die Gesetzesflut nicht eingedämmt wurde und die angekündigte Staatsreform praktisch nicht stattgefunden hat. Eine Staatsreform könne nur mit einer Zweidrittelmehrheit stattfinden, da sie ohne Verfassungsänderungen nicht auskomme. Die abtretende ÖVP-FPÖ-Regierung habe sich jedoch nie ernsthaft um eine Zustimmung der SPÖ zu einer "echten Staatsreform" bemüht, hielt Fischer fest. Die schwarz-blaue Staatsreform habe Totalprivatisierung bis hin zum Verkauf des "Familiensilbers a la Bundesforste" bedeutet und zu einer Benachteiligung des ländlichen Raumes geführt, aber keinerlei strukturelle Reformen beinhaltet. Zudem hätten ÖVP und FPÖ am "uralten Bundesländerforderungsprogramm" festgehalten, so Fischer und fügte hinzu: "Das alleine ist aber noch keine Staatsreform."
Ablehnend äußerte sich der st. SPÖ-Vorsitzende gegenüber dem Vorschlag der FPÖ, die Zahl der Mitglieder des Nationalrates zu reduzieren. Dies als wesentlichen Teil einer Staatsreform zu verkaufen, sei nicht "abendfüllend" und eine "reine Alibiaktion". Abgesehen davon, dass vergleichbare Staaten durchaus gleich große oder größere Parlamente haben, müsse man bedenken, dass es sogar teuer kommen könne, wenn de facto parlamentarische Kontrollmöglichkeiten reduziert werden und dass parlamentarische Arbeit in Ausschüssen geleistet wird.
Im Zusammenhang mit der Bestellung von neuen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) forderte Fischer mehr Transparenz. Die Bestellungen müssten so vor sich gehen, dass sie unangreifbar sind. Fischer übte hier Kritik an der Vorgangsweise der Regierung bei der Bestellung eines VfGH-Präsidenten. Üblicherweise sei es so, dass Mitglieder des VfGH vom Bundespräsidenten ernannt werden. Ein Teil dieser Ernennungen finden auf Vorschlag der Bundesregierung, ein Teil auf Vorschlag des Nationalrates und ein Teil auf Vorschlag des Bundesrats statt. Nun würden zwei Funktionen frei, die des Präsidenten und eines Mitgliedes des VfGH. Hier handle sich um zwei Bestellungsakte, die beide über Vorschlag der Bundesregierung durchgeführt werden. Obwohl der Bundespräsident die Vorschläge noch nicht geprüft habe, hat die Bundesregierung schon am 8. Oktober die Stelle des Vizepräsidenten neu ausgeschrieben, was nach Meinung namhafter Juristen dem VfGH-Gesetz wiederspreche, wonach offene Stellen auszuschreiben sind. Fischer warf daher die Frage, wieso dies in dieser Eile geschehen sei und wieso die Bewerber nicht öffentlich ausgeschrieben wurden?
An die ÖVP richtete Fischer abschließend den Appell, ihre eigenen Vorschläge aus dem Wahlprogramm ernst zu nehmen. Darin habe sich die Volkspartei dafür ausgesprochen, die von der Regierung vorgeschlagenen Kandidaten für den VfGH einer Begutachtung durch Vertretern anderer Höchstgerichte und Rechtsanwälte zu unterziehen.

 
 Khol: Für wie uninformiert hält Fischer die Öffentlichkeit?
Wien (övp-pk) - "Entweder hat der stv. SPÖ-Chef Heinz Fischer eine unzureichende Beratung oder ein schlechtes Gedächtnis, wahrscheinlich aber beides. Daher muss man ihn bezüglich einer Bundesstaatsreform offenbar daran erinnern, dass gerade die SPÖ seit 1995 eine Bundesstaatsreform verhindert", erklärte ÖVP-Klubobmann Dr. Andreas Khol in Reaktion auf die Pressekonferenz Fischers am Dienstag (22. 10.).
Der gescheiterte SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky habe seit 1992 das fertig ausverhandelte Perchtoldsdorfer Abkommen zwischen Bund und Ländern zweimal unterschrieben, wurde aber vor dessen Umsetzung abgelöst. Der ebenso gescheiterte SPÖ-Bundeskanzler Klima habe das Abkommen zweimal bestätigt, zweimal dieses Wort wieder gebrochen, führte Khol aus.
"Darüber hinaus haben die Betonzentralisten Fischer und Kostelka jede Reform verhindert - das weiß die Öffentlichkeit", kritisierte Khol die "scheinheilige" Argumentation Fischers.
Diese typische zentralistische Position der SPÖ zeige sich auch daran, dass Alfred Gusenbauer im Juli dieses Jahres und vor wenigen Tagen auch Rudolf Edlinger vorgeschlagen haben, die Bezirkshauptmannschaften aufzulösen. "Das wäre ein falscher, geradezu absurder Schritt. Die ÖVP will gerade die Bezirkshauptmannschaften im Sinne der Bürgernähe stärken und hat dies im Zuge der Verwaltungsreform auch getan", sagte Khol und wies darauf hin, dass die Bezirkshauptmannschaften in den Bundesländern 90 Prozent (!) der Verwaltungsaufgaben für den Bürger erledigen.
Die Kritik Khols an Fischer gelte auch für den Vorschlag der Objektivierung der Richterernennungen beim Verfassungsgerichtshof: Wir haben diese Objektivierung zweimal im Klubobmännergespräch vorgeschlagen und sie ist im Koalitionsantrag zum Demokratiepaket, den wir am 1.3.2000 im Nationalrat eingebracht haben, auch explizit enthalten. Die Ablehnung kam immer wieder von der SPÖ. Ich sehe daher bei Heinz Fischer weder den Willen zur Reform noch zur objektiven Information", stellte Khol klar.
Klar wies Khol auch den Vorwurf Fischers , die Regierung habe in der letzten Legislaturperiode die Opposition nicht oder unzureichend eingebunden: "Wir wollten die Opposition immer wieder einbinden. Gerade die SPÖ hat aber ihre Zustimmung zu wichtigen Materien immer mit artfremden Junktims verbunden", sagte der ÖVP-Klubobmann und nannte als Beispiel die Einführung der Briefwahl, die die SPÖ mit dem Minderheitsrecht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen verknüpfte.

 
 Prinzhorn zu Fischer: Vielleicht klappts in der nächsten Periode
Bundesstaatsreform braucht breitesten Konsens
Wien (fpd) - "Vielleicht klappts in der nächsten Periode", erwiderte heute der stellvertretende FPÖ-Bundesparteiobmann und Wirtschaftssprecher, DI Thomas Prinzhorn auf die Aussage des stv. SPÖ-Vorsitzenden Heinz Fischer. Die Bundesregierung habe im Rahmen der Verwaltungsreform nicht in Verfassungsstrukturen eingreifen können.
"Eine Bundesstaatsreform braucht breitesten Konsens. Wir Freiheitliche fordern deshalb einen Reformkonvent unter Einbeziehung aller maßgeblichen Kräfte", so Prinzhorn.
Im Bereich der Verwaltungsreform konnten in der abgelaufenen Periode Einsparungen in der Höhe von mehr als 87 Mio. Euro erreicht werden. Weitere 175 Mio. Euro werden aufgrund der eingeleiteten Maßnahmen folgen. Im Rahmen des Verwaltungsreformgesetzes 2001 wurden wesentliche Schritte festgelegt: Die Aufwertung der Bezirksverwaltungsbehörden als primär zuständige Verwaltungsbehörden, die Verkürzung der Instanzenzüge, die Verwirklichung des "One-Stop-Shop"-Prinzips, die Schaffung unabhängiger Verwaltungssenate etc. Die SPÖ habe hinsichtlich einer umfassenden Staatsreform Jahrzehnte untätig verstreichen lassen, obwohl sie viele Möglichkeiten zur Verfassungsänderung gehabt hätte. Vor diesem Hintergrund seien deshalb sozialistische "Reform-Bekundungen" mit einer gewissen Vorsicht zu genießen.
Prinzhorn rief abermals in Erinnerung, daß die FPÖ schon seit Monaten einen Konvent zur Bewältigung einer umfassenden Bundesstaatsreform einfordere. Diesem Konvent sollen nach Vorstellung der FPÖ alle Parteien sowie Sozialpartner und Landesobleute angehören, um unabdingbare Reformen auf allen Verwaltungsebenen konsensual angehen zu können.
Der FPÖ-Wirtschaftssprecher betonte abschließend nochmals, daß die Freiheitlichen bewiesen hätten, Reformen nicht nur anzukündigen, sondern tatsächlich anzugehen. "Wir werden die Sozialisten nach der Wahl daran erinnern und den Konvent zur Bundesstaatsreform einmahnen."

 
 Industrie: Verfassungskonvent scheint realistisch
Wien (PdI) - Alle im Parlament vertretenen Parteien sehen tief greifende Reformen der Verwaltung sowie eine Aufgabenkritik als Notwendigkeit. SPÖ, FPÖ und ÖVP signalisieren darüber hinaus ihre Unterstützung für einen Verfassungskonvent, der auf breiter Basis zu einer fundamentalen Erneuerung der Strukturen des Staates führen soll. Die Idee dafür war von der Industriellenvereinigung in die Politik getragen worden.
Am Montag (21. 10.) fand die Startveranstaltung der Reihe "Politischer Montag im Haus der Industrie" statt. Die Reihe hat zum Ziel, das Zukunftsprogramm der Industriellenvereinigung (IV) "Österreich.Nachhaltig.Gestalten" im Vorfeld der Nationalratswahl bei Spitzenvertretern aller Parteien zu verankern. Zum Thema "Staatsaufgaben- und Verwaltungsreform" diskutierten Alfred Finz (V), Peter Kostelka (S), Eva Glawischnig (G) Rainer Reinhard Bösch (F) und Günter Voith als Vertreter der IV unter der Moderation von Alfred Payrleitner (Kurier).
In seinem Einleitungsreferat betonte Günter Voith, Gesellschafter der Inzersdorfer GmbH und ehemaliges Mitglied der Aufgabenreformkommission, dass Österreich zwar Spitzenreiter in der sozialen Absicherung sei, die mangelnde Bereitschaft zu Innovation und Inflexibilität in der Verwaltung aber große Mankos seien. Die Staatsquote müsse auf 40 Prozent gesenkt, ein falsch verstandener Regionalismus müsse überwunden, über den Finanzausgleich müsse Kostenwahrheit geschaffen werden. "Auch Verwaltungsstrukturen stehen in einem harten internationalen Wettbewerb. Wir werden vom EU-Konvent Vorgaben bekommen, die eine Gesamtänderung der Verfassung ohnehin notwendig machen", so Voith.
Staatssekretär Finz erläuterte anhand konkreter Zahlen die Rationalisierungen, die in dieser Legislaturperiode - verbunden mit Qualitätssteigerungen - gelungen seien: So seien etwa 13.000 Planstellen nicht nachbesetzt, Instanzenwege verkürzt und im Sinne des "lean management" Strukturreformen durchgeführt worden. Einig sind sich die Parteienvertreter darüber, dass weitere tief greifende Reformen nicht ohne Zweidrittelmehrheit im Nationalrat - also nur durch den Beschluss von Gesetzen im Verfassungsrang - möglich sind. Kostelka geht davon aus, dass am Ende eines Reformprozesses eine Gesamtänderung der Bundesverfassung und damit eine Volksabstimmung notwendig sein könnte. Für Glawischnig geht es um die Frage "wie viel Staat wollen wir und welchen Staat". Laut Bösch müssen vor allem aufgrund der seit dem Beitritt zur Europäischen Union für Österreich geltenden EU-Vorgaben die Grundstrukturen des Staates überdacht werden.
Alle im Parlament vertretenen Parteien sehen tief greifende Reformen der Verwaltung sowie eine Aufgabenkritik als Notwendigkeit. SPÖ, FPÖ und auch ÖVP haben darüber hinaus ihre Unterstützung für einen Verfassungskonvent deutlich gemacht. Die Idee dafür war von der Industriellenvereinigung in die politische Diskussion getragen worden. Dieser bemerkenswerte Konsens ist ein Erfolg der ersten Diskussion im Rahmen des IV-Prozesses "Österreich.Nachhaltig.Gestalten".
Hauptgrund für die wenig fundamentalen Ergebnisse der Verfassungsreformkommissionen der Vergangenheit ist, dass bisher nur die direkt Betroffenen verhandelt haben. In dem Verfassungskonvent müssten daher neben den direkt Betroffenen auch Wissenschaft, Sozialpartner und Institutionen der Bürgergesellschaft eingebunden werden. Die Industriellenvereinigung wird einen Vorschlag für eine repräsentative Zusammensetzung des Konvents machen.
 Allgemeines
 Verzetnitsch präsentierte Forderungen des ÖGB an künftige Regierung
Vollbeschäftigung und Sicherung sozialer Grundrechte als wichtigste Aufgaben
Wien (ögb) - "Es geht um viel für die ArbeitnehmerInnen dieses Landes bei der kommenden Wahl. Die ArbeitnehmerInnen und ihre Angehörigen sind die Mehrheit der Wahlberechtigten. Der ÖGB als Vertreter der ArbeitnehmerInnen legt deshalb vor der Wahl seine Forderungen auf den Tisch", eröffnete ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch die Präsentation des Forderungspapiers des ÖGB an die künftige Bundesregierung am Dienstag (22. 10.).
Hauptforderungen des ÖGB sind die Verankerung der sozialen Grundrechte und die Wiederherstellung eines funktionsfähigen Arbeitsmarktes. "Wir fordern ehrliche Aktivitäten im Bereich der Arbeitsmarktpolitik mit dem Ziel der Vollbeschäftigung, und zwar einer Vollbeschäftigung durch Vollzeitarbeitsplätze", sagte Verzetnitsch.
Zur Weiterentwicklung der aktiven Arbeitsmarktpolitik verlangt der ÖGB einen Rechtsanspruch Arbeitsloser auf Qualifizierung ab dem dritten Monat der Arbeitslosigkeit. Ein spezielles Weiterbildungsprogramm wünscht sich der ÖGB für Beschäftigte ab 40 Jahren, um die Chancen älterer ArbeitnehmerInnen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Für Jugendliche, die keine Lehrstelle finden, müssten zukunftsorientierte alternative Bildungsangebote geschaffen werden, die auf die nachfolgende Lehre anrechenbar sind und damit ein durchgängiges Lernen ermöglichen. Der ÖGB-Präsident forderte die Wiedereinführung von Lehrlingsstiftungen ein. "Die Notprogramme, die in letzter Stunde vor Auflösung des Nationalrats geschaffen wurde, reichen nicht", stellte Verzetnitsch klar.

Gesundheitsversorgung und Pensionen sichern, Wertschöpfungsabgabe einführen
Das öffentliche Pensionssystem muss erhalten und weiter entwickelt werden, fordert der ÖGB. Eine gezielte Wachstumspolitik, gekoppelt mit der Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze und besseren Erwerbschancen für Frauen soll den Anstieg der Pensionsquote eindämmen. Die eigenständige Alterssicherung der Frauen müsse ausgebaut, die Wertsicherung der Pensionen sichergestellt werden. Zur Finanzierung der sozialen Sicherheit fordert der ÖGB die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe. Als oberstes Ziel der Gesundheitspolitik nennt der ÖGB den freien und gleichen Zugang aller zur medizinischen Versorgung. Ambulanzgebühren und Unfallrentenbesteuerung sollen umgehend aufgehoben werden, die beitragsfreie Mitversicherung für kinderlose (Ehe-)PartnerInnen soll wieder eingeführt werden. Prävention und die betriebliche Gesundheitsförderung müssten als Schwerpunkte ausgebaut werden. Zum Schutz der sozialen Sicherung und des solidarischen Systems der Pflichtversicherung fordert der ÖGB die Verankerung von sozialen Grundrechten und des Sozialversicherungsprinzips in der Verfassung.

Stärkung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung
Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung müsse wieder Geschäftsführungskompetenz erhalten und dürfe nicht - so wie das jetzt der Fall ist - auf eine reine Aufsichtsratsfunktion reduziert bleiben. Die Wahlergebnisse der Kammerwahlen müssten wieder Basis für die Zusammensetzung werden.

Öffentliche Dienste für alle absichern
Hinsichtlich der anstehenden Verhandlungen zum GATS forderte der ÖGB-Präsident von der künftigen Regierung ein Bekenntnis zum gemeinwirtschaftlichen Versorgungsauftrag. "Es muss sichergestellt werden, dass die öffentlichen Dienstleistungen wie bisher allen zur Verfügung stehen. Wir wollen keine Privatisierung des Gesundheitswesens nach dem Vorbild der USA, wo dann jeder, wenn er ins Krankenhaus geht, gleich die Kreditkarte mitnehmen kann", sagte Verzetnitsch. Neben dem Gesundheitsbereich müsse die flächendeckende Versorgung auch bei den übrigen öffentlichen Diensten, wie im Bildungsbereich und beim öffentlichen Verkehr, sichergestellt werden.

Vorbereitung auf EU-Erweiterung aktiver angehen
Zur sozialverträglichen Anpassung des heimischen Arbeitsmarktes auf die EU-Erweiterung sind umfassende Vorarbeiten nötig. Die Vorbeitrittsperiode und die Übergangsfrist in den Bereichen Personen- und Dienstleistungsfreiheit müssten dafür offensiv genutzt werden, verlangt der ÖGB. Gefordert werden insbesondere der Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik für am Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen, eine verstärkte Grenzland- und Regionalförderung und wirkungsvolle Maßnahmen gegen Schwarzunternehmertum. Von der künftigen Regierung fordert der ÖGB zudem, dass sie die Sozialpartner stärker in den Vorbereitungsprozess einbezieht. Ähnlich wir vor dem österreichischen Beitritt zur EU soll die Regierung mit den Sozialpartnern ein Europa-Abkommen schließen, sagte Verzetnitsch. Für die Beitrittsländer selbst soll es nach den Vorstellungen des ÖGB umfangreiche Investitionen nach Vorbild des Marshall-Plans geben. Zur sozialen Dimension der EU meinte der ÖGB-Präsident, diese dürfe nicht nur den Beitrittskandidatenländern abverlangt werden, soziale Rechte müssten auch in der EU selbst erfüllt werden. Der ÖGB fordert die Fixierung sozialer Grundrechte in der, im Rahmen des Europäischen Konvents diskutierten, EU-Verfassung.

Zwischenbilanz der Urabstimmung
"807.192 Teilnehmer haben im Vorjahr bei der ÖGB-Urabstimmung ein deutliches Zeichen gesetzt. Heute legen wir eine Bilanz vor, die Sie im politischen Geschehen selten finden", nahm Verzetntisch zur ÖGB-Urabstimmung für soziale Gerechtigkeit Stellung. Anders als in den Hochglanz-Bilanzen der Regierung finden sich in unserer Bilanz sowohl Erreichtes, als auch die Punkte, die noch nicht erreicht werden konnten. Der ÖGB-Präsident stellte jedoch klar, dass für die noch nicht erfüllten Forderungen weiter gekämpft würde. Verzetnitsch. "Für die Gewerkschaftsbewegung bleiben politische Forderungen bis zu ihrer Erfüllung aufrecht."

Mindestlohn rasch durch Kollektivverträge regeln
"Wir bedanken uns bei allen, die nun einen Mindestlohn von 1.000 Euro fordern. Das tun wir schon lange und wir haben ihn auf weiten Strecken auch schon erreicht." Die gesetzliche Festlegung von Löhnen und Gehältern hält der ÖGB-Präsident langfristig jedoch nicht für zielführend. Es hänge dann von der parteipolitischen Zusammensetzung des Parlaments ab, ob es zu einer Erhöhung des Mindestlohns komme oder nicht. "Der Weg der Gewerkschaften den Mindestlohn nicht auf gesetzlicher Ebene, sondern in den Kollektivverträgen niederzuschreiben, ist der richtige." Die Kollektivvertragspartner seien näher an der Praxis als der Gesetzgeber, sie könnten daher flexibler reagieren und besser auf die speziellen Voraussetzungen der einzelnen Branchen eingehen. Nach einer Umfrage unter den Gewerkschaften wurde erhoben, dass es 70.000 bis 77.000 ArbeitnehmerInnen gibt, deren Mindesteinkommen auf Vollzeitbasis laut Kollektivvertrag unter 1.000 Euro brutto monatlich liegt. "In den Kollektivverträgen gehen wir davon aus, dass wir bis zum Jahr 2004 den 1.000 Euro Mindestlohn verwirklichen können", sagte der ÖGB-Präsident. "Unser Ziel ist es aber auch erstens die Flucht aus Kollektivverträgen zu stoppen und zweitens auch neue Beschäftigungsformen in einen Kollektivvertrag einzubinden." Die dritte Forderung betrifft den Hauptverband, der aus Kostengründen jene Statistik eingestellt hat, die aufzeigt, was tatsächlich bezahlt wird. "Diese Statistik muss wieder eingeführt werden."

 
 Brauner: "MigrantInnen-KandidatInnen sind eine Bereicherung der SPÖ und auch im Parlament!"
"Für ein faires Miteinander mit Zukunft" - Präsentation der SPÖ-MigrantInnen- KandidatInnen
Wien (spw) - "Zuwanderung ist eine Chance und eine Bereicherung für alle. Wir müssen nur die geeigneten Rahmenbedingungen für Integration schaffen", sagte Renate Brauner, die Wiener Integrationsstadträtin und stv. Bundesparteivorsitzende des SPÖ, bei der Präsentation der MigrantInnen-KandidatInnen der SPÖ für die Nationalratswahl am Dienstag (22. 10.).
Eine Bereicherung seien auch die 1 MigrantInnen-KandidatIinnen für die SPÖ auch im Parlament, drückte Brauner Ihre Überzeugung eines Wahlerfolges der SPÖ aus. Alle 17 KandidatInnen seien sehr engagierte Persönlichkeiten, die alle in ihren Bereichen hoch qualifiziert seien, strich Brauner hervor, nicht ohne auf die Herkunft der KandidatInnen aus 3 Kontinenten zu verweisen. Die Vielfalt der Integration sei in Wien Alltag und Normalität, so Brauner weiter.
Brauner zeigt sich stolz über den integrationspolitischen Weg des Stadt Wien und verwies auf den Erfolg der Willkommensmappe für ZuwanderInnen, die über Rechte und Pflichten aufklärt. Denn, so Brauner, ein guter Start in der neuen Heimat sei im Interesse aller. Es sei wichtig eine Integrationsperspektive für alle ZuwanderInnen zu entwickeln, so Brauner, die in diesem Zusammenhang auf die Gesetzesvorlage zum Wahlrecht für AusländerInnen auf Wiener Bezirksebene verwies.
Brauner kritisierte die Integrationspolitik der schwarzblauen Regierung, insbesondere in der Frage der Familienzusammenführung:"Für Wien fordern wir eine Sonderquote für die Familienzusammenführungen. Denn entgegen der Angaben des ÖVP, die sich gerne als die `Familienpartei´ bezeichnet, sind die Wartelisten so lange wie nie zuvor. Um diesen `Rückstau` zu beheben, habe ich Innenminister Strasser einen Brief geschrieben. Und dieser Brief war ihm nicht einmal eine Antwort wert." Abschließend forderte Brauner ein österreichweites Antidiskriminierungsgesetz. Sie sei sicher, dass der nächste Bundeskanzler Alfred Gusenbauer heißen werde, so Brauner, und daher werde es dieses Gesetz auch geben.
 Umfeld
 Ruttinger: Nationalratswahl gibt Meinungsforschung "Rätsel" auf
"Meinungsforschung ist ein Mittelding zwischen Wissenschaft und Handwerk" - Richtlinien für Veröffentlichung von Umfragen
Wien (pwk) - Zu einem hochkarätigen Pressefrühstück lud der Fachverband Werbung und Marktkommunikation am Dienstag (22. 10.) anlässlich der Nationalratswahl am 24.November. Hintergrund der Veranstaltung sei, so FV-Obmann Walter Ruttinger, dass diesmal die Nationalratswahl der Meinungsforschung einige "Rätsel" aufgebe.
Gleichzeitig solle kurz vor der Wahl auch für die Kollegen aus den Redaktionen klargestellt werden, wie die Erstellung einer Wahlprognose funktioniere.
Meinungsforscher Peter Ulram (Fessel-GfK) betonte, dass bereits beim Wahlkampf 1999 mehr als die Hälfte der Berichterstattung in den Medien nicht auf Inhalten, sondern auf Umfragen und Koalitionsspekulationen beruhte. Diesmal werde dieser Wert um die 60 Prozent liegen. Gerade die beliebte Sonntagsfrage sei aber mit wesentlichen Unsicherheiten belastet, so der einhellige Tenor der Runde von Meinungsforschern mit Imma Palme (IFES), Peter Hajek (OGM), Fritz Karmasin (Gallup) und Werner Beutelmeyer (market). Eine Punktlandung sei praktisch nicht möglich. Einig waren sie sich darin, dass sie nur wenig Freude mit einem ihrer bekanntesten Produkte haben.
"Wir alle wissen, dass das ein Spiel ist", so Ulram "das dient der Publikumsunterhaltung". Gespielt werde zwischen Medien und Meinungsforschung. Gleichzeitig verwies er aber darauf, dass dieses Spiel offenbar ein sehr zentrales ist. Umfragen hätten ergeben, dass die Ergebnisse mehr Einfluss auf das Wahlverhalten hätten als die gesamte Werbung der Parteien mit Plakaten und Inseraten.
Wie sich ihre Umfragen auswirken, konnten die Meinungsforscher freilich nicht sagen. Palme verteidigt daher auch die Festlegungen, keinen Umfrage-freien Zeitraum vor Wahlen einzuführen. Die unterschiedlichen Ergebnisse würden sich in ihrer Wirkung aufheben, deshalb habe sie kein Problem mit einer Veröffentlichung. Ulram berichtet, in den USA sei man von der "Nullhypothese" ("Es bewirkt nichts") zur "Modifizierten Nullhypothese" ("Es bewirkt schon etwas. Wir wissen nicht, was") übergegangen. Er tritt für ein Publikationsverbot ein.
Für Hajek wiederum hängen die Auswirkungen der Umfragen in erster Linie davon ab, wie die Politiker damit umgehen. Als Beispiel nannte er die Oppositionsansage Wolfgang Schüssels im Wahlkampf 1999, die erst Bewegung in die Wähler gebracht habe. Er erinnerte daran, dass die Sonntagsfrage ursprünglich nicht für die Medien, sondern für die Politikberatung gedacht gewesen sei. "Es geht um eine Tendenz. Und dazu reichen in den meisten Fällen die Rohdaten." Von diesen Rohdaten, dem eigentlichen Ergebnis der Umfrage, ausgehend wird in der Folge ein zum Zeitpunkt der Umfrage mögliches Wahlergebnis hochgerechnet. Notwendig wird dies, weil ein beträchtlicher Teil der Befragten - die Angaben reichten von einem Drittel bis 15 Prozent - sich nicht deklarieren. Wenn 85 Prozent ihre Präferenz angeben, sei dies überhaupt die "absolute Grenze", so Karmasin.
Die Frage ist nun, wie diese Hochrechnung geschieht. Jedes Institut hat dafür seine eigenen Methoden und Formeln. "Meinungsforschung ist ein Mittelding zwischen Wissenschaft und Handwerk", so Ulram dazu. Problematisch werde es freilich dann, wenn die Erfahrungswerte fehlten - etwa wenn eine Partei neu auftrete oder eine andere "Selbstmord begeht", so der Meinungsforscher offenbar in Anspielung auf die FPÖ.
Überhaupt machen die Entwicklungen den Meinungsforschern die Arbeit nicht leichter, bedauerte Beutelmeyer. "Es nehmen gasförmige Meinungszustände zu. Die Beweglichkeit nimmt zu. Und wir versuchen mit einer einzigen Frage, der Sonntagsfrage, die Marktanteile zu messen." Unterschiedlich eingeschätzt wurde die Auswirkung der Stichprobengröße auf die Qualität. Mehr Befragte ergeben zwar eine höhere Genauigkeit, während Hajek und Ulram aber auch 500 Befragte für ausreichend halten, plädierte Palme für die Richtlinie der europäischen Marktforscher-Vereinigung ESOMAR, die von mindestens 1.000 Interviews spricht.
Einig waren sich die Meinungsforscher hingegen darin, dass bei der Publikation von Umfragen manche Daten mit angegeben werden sollten. Dies betreffe zumindest die Größe des Samples, der Stichprobe und die Schwankungsbreite. Angeregt wurde auch die Veröffentlichung der Rohdaten sowie des Prozentsatzes der nicht deklarierten Befragten.